Klappentext
Mit der Neuausgabe des 1926 erschienenen
Hauptwerkes des Köpenicker Heimathistorikers Arno Jaster (1895–1947)
wird die erste geschlossene Darstellung der Geschichte Köpenicks der
Vergessenheit entrissen. Sie setzte bei ihrem Erscheinen auf dem
Buchmarkt mit der Nachzeichnung des Entwicklungsweges Köpenicks vom
Mittelalter bis 1920 einen intellektuellen Schlusspunkt unter die
Verarbeitung des seinerzeit nicht unumstrittenen Aufgehens der über
Jahrhunderte selbständigen Stadtgemeinde in die Einheitsgemeinde
Groß-Berlin. Die Herausgeber der Neuauflage haben den ursprünglichen
Text gestrafft und von jenen Teilen entschlackt, die sich im Geist der
1920er Jahre in kulturphilosophische Betrachtungen verloren. Im Ergebnis
liegt ein detaillierter lokalgeschichtlicher Abriss über mehr als sieben
Jahrhunderte wieder vor.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort (Oliver Igel) 11
Vorwort zur Neuherausgabe von Arno Jaster: Geschichte Cöpenicks (Kurt
Wernicke) 13
1. Abschnitt.
Die Wendenzeit 19
2. Abschnitt.
Der Kampf um die Macht (1150–1407) 28
3. Abschnitt.
Dietrich von Quitzow 52
4. Abschnitt.
Wetterleuchten (1414–1500) 67
5. Abschnitt.
Reformation 82
6. Abschnitt.
Die neuen Kräfte 96
7. Abschnitt.
Der große Krieg (1618–1648) 112
8. Abschnitt.
Nach der Zerstörung (bis 1700) 123
9. Abschnitt.
Per aspera ad astra (1700–1756) 137
10. Abschnitt.
Aus einem alten Kirchenbuch (1642–1684) 156
12. Abschnitt.
Rokoko (1749–1782) 166
13. Abschnitt.
Der Oesterreicher- und Russenschreck (1757 und 1760) 173
14. Abschnitt.
Aus den Tagen der Altväter (1764–1805) 188
15. Abschnitt.
Von einem untergegangenen Erwerbszweig 213
16. Abschnitt.
Ein Beitrag zur Entwicklung unseres Cöpenicker
Schulwesens (1750–1850) 220
17. Abschnitt.
Die Franzosenzeit 241
20. Abschnitt.
Die Grossväter erzählen (1815–1870) 263
21. Abschnitt.
Die Räume wachsen (1870–1900) 282
22. Abschnitt.
Auf dem Kietz 327
23. Abschnitt.
„Die Zentrale des Ostens“ (1901–1914) 351
24. Abschnitt.
Wilhelm Voigt, der „Hauptmann von Cöpenick“ 375
26. Abschnitt.
Im Weltkrieg (1914–1918) 394
27. Abschnitt.
Der Weg nach Berlin 409
Die Bürgermeister der Stadt Cöpenick 437
Kurze Zeit-Tafel zur Geschichte Cöpenicks 442
Bibliografie Arno Jaster (Heinrich Langmaack) 445
Zur Einführung
Der Heimatverein Köpenick legt im Rahmen seiner Schriftenreihe hier eine
Neuausgabe des Hauptwerkes des Köpenicker Heimathistorikers Arno Jaster
(1895–1947) vor. Jaster war der Erste, der in einer geschlossenen
Darstellung dem hiesigen Leserpublikum einen Überblick über die Schicksale
Köpenicks von dessen Auftauchen in der Geschichte bis zum Aufgehen des
selbständigen Gemeinwesens in die größere administrative Einheit Groß-Berlin
lieferte. Als sein Werk „Geschichte Cöpenicks. Bilder aus dem Schicksal
einer Märkischen Stadt“ 1926 im Zeitungs-Verlag Scheumann erschien, waren
dem bereits einige heimatgeschichtliche Arbeiten in dem Lokalblatt „Cöpenicker
Dampfboot“ vorausgegangen – namentlich war die „Geschichte Cöpenicks“ in
Abschnitten in der seit Ende Januar 1926 unter dem Titel „Unsere Heimat“
wöchentlich als Beilage zu der Sonnabend-Ausgabe des „Dampfboots“
erscheinenden lokalhistorischen Umschau für das Müggelland vorgestellt
worden. Daneben hatte er sich seit 1924 einen Namen als Inspirator, Förderer
und Sammler für ein Heimatkunde-Schulmuseum gemacht (das 1929 eröffnet und
der Ausgangspunkt für unser heutiges Köpenicker Heimatmuseum wurde). Das
unerwartet große Echo auf die Artikelfolge bewog den Verleger des
„Dampfbootes“, Otto Scheumann, im Herbst d. J. die vorliegenden Texte zu
einem Buch zusammenzufassen – und das in naheliegender Weise verwandte, zum
Rotaprintdruck geeignete Zeitungspapier sorgte für eine ihm innewohnende
Vergänglichkeit der Buchausgabe, sodass trotz der damaligen hohen Auflage
Jasters „Geschichte“ heute ziemlich selten geworden ist.
Die insgesamt 30 Artikel aus „Unsere Heimat“, aus denen in der Buchfassung
eine Unterteilung in 27 Abschnitte wurde, boten der Wiedergabe der
Ergebnisse von Jasters seit 1919 betriebenen heimatgeschichtlichen
Forschungen jedoch nur begrenzten Raum, und so kam er mit dem
Scheumann-Verlag überein, in der Beilage „Unsere Heimat“ weiterhin Artikel
zu publizieren, die die durchgehende Darstellung von 1926 mit immer neuen
Details ergänzten. Die erschlossen sich Jaster im wesentlichen aus fleißigem
Studieren in den Akten des Köpenicker Ratsarchivs, den Unterlagen der
Köpenicker Innungen, den Archiven der lokalen Kirchgemeinden, alten
Zeitungsjahrgängen und Geschichtsliteratur. 1927 bis 1933 war Jaster in fast
jeder Ausgabe von „Unsere Heimat“ präsent – in der Mehrzahl zu Köpenicker
Themen oder solchen, die Nachbarorte betrafen. Danach ging die Intensität
der Jasterschen Publikationstätigkeit zurück – was mit seinen neuen, höheren
Aufgaben zusammenhing, die ihm das von ihm ersehnte NS-Regime zuwies.
Denn Jasters Lebensweg, der ihn vom am 28. April 1895 geborenen Sohn eines
preußischen Eisenbahnbeamten über die mittlere Reife mit folgender
Absolvierung eines Lehrerseminars und Militärdienst Anfang 1918 als
Volksschullehrer in den Köpenicker Schuldienst führte, war Schritt für
Schritt vom zutiefst verinnerlichten Preußentum über die freudige Akzeptanz
der Lehre von der mystischen Bedeutung eines imaginären Volkstums bis zur
Anbetung der gottgegebenen kulturell-moralischen Überlegenheit des
„völkischen“ Deutschtums begleitet, führte ihn über die Begeisterung für
althergebrachtes Brauchtum zu einer tief verwurzelten Antipathie gegen die
zivilisatorischen Begleitumstände der Industriegesellschaft und ließ ihn –
der, wie viele Nachbeter der Hohenzollern-Legende, von der Flucht Kaiser
Wilhelms II. vor der Novemberrevolution in die Niederlande bis ins Mark
getroffen war – sein und des deutschen Volkes Heil schließlich in der
Herbeisehnung einer charismatischen Führerpersönlichkeit suchen. Dieser Weg
führte Jaster folgerichtig zu der nicht nur auf Wiedererlangung von
Deutschlands 1918 verlorenem Gewicht in Europa und der Welt zielenden,
sondern auch von Rassenwahn und Blut-und-Boden-Ideologie durchwaberten
NSDAP, deren Mitglied er schon am 1. März 1930 wurde. Ab 1933 winkte ihm
dann die zu erwartende Belohnung: der Volksschullehrer (zuletzt 1930/32 in
der 1. Hilfsschule am Alten Markt) wurde Schulrat und übernahm die
Schulaufsicht zunächst in Treptow, im folgenden Jahr in Köpenick, wechselte
1938 in den Wedding, von wo er 1942 mit einiger Sicherheit als „alter
Kämpfer“ der NSDAP zur zivilen Dienstleistung im besetzten Ausland
abkommandiert wurde – gegen Kriegsende aber wieder nach Köpenick
zurückkehrte. Seiner neuen Stellung im NS-Schulwesen zollte er 1937 Tribut
mit der Veröffentlichung seines Buches „Gestalten des
Geschichtsunterrichts“, (Frankfurt a. M. 1937), das als Band 3 der Reihe
„Der nationalpolitische Unterricht“ firmierte. Im selben Jahr war er in
Köpenick zum (ehrenamtlichen) Bezirksarchivpfleger ernannt worden – womit
alle nichtstaatlichen Archivalien in seinen Verantwortungsbereich fielen.
In die öffentlichen Pogrome, die die NS-Machthaber durch ihre
Prätorianergarden in Köpenick im Juni 1933 gegen Antifaschisten und im
November 1938 gegen jüdische Mitbürger veranstalteten, war Jaster mit
ziemlicher Sicherheit nicht verwickelt – zumal er weder der SA noch der SS
angehörte. Dennoch gehörte er durch seine Stellung und seine Aktivitäten zu
jenem Kreis von Nazi-Aktivisten, die nach den alliierten Übereinkommen zur
Sicherheit der Besatzungsmächte zu internieren waren, und so wurde Jaster am
28. Mai1945 in seiner Wohnung Färberstr. 14 – wo er seit seiner
Eheschließung 1920 wohnte – vom NKWD verhaftet und gelangte über
Zwischenstationen in dessen „Spezial-Lager Nr. 2“, das sinnigerweise im
ehemaligen KZ Buchenwald eingerichtet worden war. In dem eiskalten Winter
1946/47, der auch außerhalb von Lagern viele Opfer forderte, erlag er dort
am 8. Februar 1947 Hunger und Kälte in der konkreten Form einer akuten
Lungenentzündung. Es entsprach dem traditionellen Psychoterror des NKWD bzw.
dessen Nachfolgers MWD, dass man den Angehörigen keine Nachricht über das
Schicksal der Verhafteten zukommen ließ: noch 1959 beklagt sich Jasters
Ehefrau in einer Eingabe an eine Dienststelle des Berliner Senats, dass sie
seit 1945 nichts über den Verbleib ihres Gatten wisse...
Die nachfolgende Neuausgabe von Jasters heimatgeschichtlichem Hauptwerk, die
„Geschichte Cöpenicks“, wird in einer gekürzten Fassung vorgelegt. Der Autor
hatte nach dem Erscheinen der „Geschichte“ in zahlreichen Ausgaben von
„Unsere Heimat“ über beinahe ein Jahrzehnt immer wieder einzelne Aspekte
vertieft, und die jetzige Neuausgabe soll auch dazu dienen, Anregungen für
vertiefende Forschung zu vermitteln. Die z. T. penetrante Verwurzelung der
Texte in das an Rassenwahn streifende stetige Raunen des Volkstums und in
den verschwommenen, ja absichtlich mystifizierten Heimat-Begriff (prägnant
formuliert in der vielmals wiederholten Eingangsdevise „Heimat ist Tat!“)
wird den heutigen Lesern von den Herausgebern trotz etlicher Kürzungen – die
kulturhistorische Arabesken und mit der städtischren Geschichte nur entfernt
verbundene Weitschweifigkeiten betreffen – absichtlich nicht vorenthalten:
sie bekommen so im Abstand von 90 Jahren einen Einblick in die Geisteswelt
des intellektuellen deutschen Bürgertums, das den durch die eklatante
militärische Niederlage im Herbst 1918 bewirkten tiefen Fall aus den
Illusionen eines „Siegfriedens“ rational nicht zu verarbeiten vermochte und
nun Schuldige dafür suchte, dass aus dem Konzept „Und es mag am deutschen
Wesen/ Einmal noch die Welt genesen“ nichts geworden war. Die Schuld lag für
Jaster nicht wie bei vielen Intellektuellen seiner Herkunft und seiner
Sozialisation bei dem frech erfundenen „Dolchstoß“, den die Revolution in
den Rücken des angeblich unbesiegten Feldheeres geführt habe, sondern in der
schleichenden Abkehr vom rational nicht greifbaren urtümlichen Volkstum.
Oder – noch besser! – der „Volkhaftigkeit“ der Vorfahren. Den Heutigen kann,
insbesondere mit dem Wissen um die Gesamtheit des 20. Jahrhunderts im
Rücken, das mit den Händen zu greifende Abgleiten eines von Heimatliebe
motivierten Geschichtsinteressierten in blanken Irrationalismus und seine
sich daraus ergebende Anfälligkeit für Rattenfänger durchaus zur Warnung
dienen. Andererseits ist zu bedenken, dass offenbar das Eindringen in die
verästelte Thematik der Volkskunde das auslösende Moment für Jaster
war, sich mit der Geschichte des ihm zur Heimat gewordenen Köpenick zu
beschäftigen: seinen Texten ist die Affinität des Autors zur K u l t u
r geschichte leicht anzumerken – was auch der Untertitel seiner „Geschichte“
unterstreicht: „Bilder aus dem Schicksal einer Märkischen Stadt“!
Bezeichnend für diese recht ausgeprägte Orientierung des Autors ist, dass in
seinem Gesamtüberblick der Taufschein für Köpenick – die Schenkungsurkunde
des Markgrafen Konrad II. der Lausitz für das Kloster Buch vom 10. Februar
1209, in dem Köpenick als Ort der Ausstellung erstmals schriftlich erwähnt
wird – gar nicht auftaucht. An diesem Fakt ist auch abzulesen, dass Jaster
bei aller Begeisterung für die kulturgeschichtlichen Aspekte der
Vergangenheit das Handwerkszeug des studierten Historikers nicht souverän
beherrschte: er kannte zwar die von ihm eifrig durch ausgiebige Zitate
ausgebeutete Urkundensammlung „Codex diplomaticus brandenburgensis“, deren
beide Registerbände von 1867 und 1869 ihn mühelos zu allen Köpenick
betreffenden brandenburgischen Urkunden hinführten – er fand aber keinen
Zugang zu der entsprechenden sächsischen Reihe „Codex diplomaticus Saxoniae
regiae“, in deren 1. Hauptreihe, Abt. A, Bd. III die Urkunde vom 10. Februar
1209 als Nr. 131 abgedruckt ist. So präsentierte er dann die im „Codex
diplomaticus brandenburgensis“ bei der Sammlung der Köpenicker Urkunden
unter Nr.1 rangierende markgräfliche Verleihung von Fürstenwalder und
Köpenicker Schiffs- und Floßzoll an Berlin aus dem Jahre 1298 seinen Lesern
auch prompt als Köpenicks älteste Urkunde!
Den Kürzungen der Herausgeber zum Opfer fielen durch die Bank Jasters heute
zumeist nicht mehr verständlichen Lyrik-Zitate am Kopf der einzelnen
Abschnitte; ebenso seine Angaben zu archivalischen und Literaturquellen zu
den einzelnen Abschnitten bzw. Artikeln wie auch die umfängliche Aufstellung
einer „Literaturliste“ am Schluss des Werkes: die Literatur ist durch die
Bank wissenschaftlich überholt, die Archivalien sind – soweit sie überhaupt
noch existieren – zumeist inzwischen an anderen Standorten. Literaturangaben
aus heute kaum mehr verfügbaren Fest- und Jubiläumsschriften, auf die Jaster
– teils wörtlich – Bezug nimmt, sind in den laufenden Text übernommen
worden. Des Öfteren kommt es vor, dass bei Jaster der Schriftsteller vor dem
wissenschaftlichen Rechercheur rangiert – wie z. B. bei der Schilderung der
Literatenidylle im Schlösschen Bellevue, die mit bekannten Daten in den
Biografien von Paul Heyse und Theodor Fontane im Widerspruch steht. In
solchen Fällen sind die historischen Fakten ohne viel Aufhebens
richtiggestellt worden. Wo am originalen Text Kürzungen, ob kleineren oder
auch bedeutenderen Ausmaßes, vorgenommen wurden, wird auf Auslassungen durch
„...“ hingewiesen. Erläuternde Kommentare, die Jaster in zitierte Quellen
einstreute, sind kursiv gesetzt; bei in Jasterschen Text eingestreuten
Kommentaren der Herausgeber steht zum kursiven Text noch der Zusatz „D.
Hrsgb.“. Druckfehler, Zahlendreher und vom Autor Jaster oder dessen Quellen
zu verantwortende, auf Oberflächlichkeit oder Fehlinterpretationen bzw.
Lesefehler zurückzuführende Falschdatierungen und Namensverwechslungen
wurden stillschweigend korrigiert.
Dass bei Jaster grundsätzlich „Cöpenick“ (also mit C!) geschrieben steht,
muss dem heutigen Leser vielleicht doch schon erklärt werden: viele
Jahrhunderte hindurch wurde die Stadt amtlich in dieser Form geschrieben,
und auch nach der Bildung Groß-Berlins wurde der um die einst selbständige
Stadt herum gebildete gleichnamige Verwaltungsbezirk traditionell mit C
geschrieben – erst durch einen Verwaltungsakt des Berliner Magistrats wurde
mit Wirkung vom 1. Januar 1931 die amtliche Schreibweise „Köpenick“
eingeführt. Als Jaster seine „Bilder aus dem Schicksal einer Märkischen
Stadt“ verfasste und der Öffentlichkeit präsentierte, schrieb er also
selbstverständlich von „Cöpenick“.
Kurt Wernicke
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