Schumacher, Gerhard

 

Halunkenpostille. Notizen aus der Hauptstadt der BRD

 


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2011, 151 S. ISBN 978-3-89626-546-3, 12,80 EUR

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Gerhard Schumacher besitzt die wunderbare Gabe frecher, ungewohnter Formulierungen für teils sehr ernste Angelegen-heiten, die an der Spree nun mal ver- und behandelt werden. Seine Sichten nun als Büchlein, dicht an dicht, zu lesen, bieten einen ganz neuen Reiz der Lese und Denke. Mal mit Lächeln, mal mit Zornesröte.
Probieren Sie es!

Leider hat er fast immer recht. – Oder?

 

Vorwort

Es war in der Januarausgabe 2009 von LEIPZIGS NEUE: Eigentlich war in dieser Stadt alles in Butter..., so schrieb Gerhard Schumacher in seinen ersten „Notizen aus der Hauptstadt der BRD“ und setzte danach die Pointe ...und dann wurde die Mauer abgetragen.
Nein, an dieser Stelle keine Aufarbeitung all dessen, was nun gut zwei Jahre später der Anlass eines 50. Jahrestages - nicht der Abtragung, das Jubiläum wird es auch noch geben – so mit sich brachte. Vieles haben wir bei anderen erlesen, vieles haben wir ertragen, vieles machte uns sprachlos. Wie sang einst das DISTEL-Kabarett in der Hauptstadt der DDR: Da hat vor 50 Jahren noch keiner dran gedacht.
Unser Kolumnist lebt und arbeitet als freier Schriftsteller mit Frau, Hund und diversen Vögeln in Berlin. Das war zumindest in den ersten Monaten sein Nachsatz, wir haben ihn dann weggelassen, denn dieser Berliner, mit Herz und Schnauze und Biss, musste dem LN-Leser bald nicht mehr „erklärt“ werden.
Er kennt und liebt seine Hauptstadt und ist wütend auf alle Pappenheimer, die sich in ihr austoben.

Gerhard Schumacher besitzt die wunderbare Gabe frecher, ungewohnter Formulierungen für teils sehr ernste Angelegenheiten, die an der Spree nun mal ver- und behandelt werden. Seine Sichten nun als Büchlein, dicht an dicht zu lesen, bieten einen ganz neuen Reiz der Lese und Denke. Mal mit Lächeln, mal mit Zornesröte. Probieren Sie es!
Leider hat er fast immer recht.

Michael Zock
Chefredakteur LEIPZIGS NEUE

 

LESEPROBE

 

Morbus Berlinensis


Ihr Wahlkampf in Berlin sei ganz schön keß gewesen, ließ sich die verhinderte Regierende Bürgermeisterin Renate K. unlängst im Berliner Tagesspiegel vernehmen. Kann man unbesehen glauben. Schon die großflächig verklebten Kampfparolen (Renate arbeitet, Rena­te kämpft, Renate sorgt), ließen den Betrachter augenblicklich in einen Zustand gesteigerter Erre­gung erzittern. Ganz schön mächtig keß, gera­dezu tollkühn keck und noch dazu beispiellos originell. Es konnte einem ausgesprochen schwindlig werden. Die Grünen sollten sich unbedingt überlegen, das Konzept für die nächsten Urnengänge weiter auszubauen, z. B. Rena­te kocht, Renate spült, Renate spinnt…
Trotz allen Draufgängertums hat es dann ja nun bekanntlich nur zum dritten Platz gereicht, nix da mit Königin von Berlin, statt dessen geht’s zurück ins Bundesglied. Ist wahrscheinlich auch besser so, jedenfalls für die Stadt. Aber, kaum hat sich die kesse Renate in den Plenarsaal des Bundestags verabschiedet, gibt es handfesten Zoff in Partei und Fraktion. Was war geschehen?
Die Fraktion wählte ihre alten zu ihren neuen Vorsitzenden, nämlich Frau Pop (kein Druckfehler) und Herrn Ratzmann. Alles wie gehabt. Und nun platzt die Bombe. Ein „linker Flügel“ begehrt auf, will auch einen Vorsitzenden abbekommen, so ginge es ja nicht, schließlich sei man eine starke Gruppierung und dürfe nicht mit den anderen in die rechte Ecke gesteckt werden und so jammer und so fort.
Mal ehrlich, hätten Sie das vermutet? Die Grünen haben einen linken Flügel! Donnerlittchen, was für eine Enthüllung. Kaum zu glauben, aber jetzt ist es raus. Bei den Berliner Landesverbänden der Sozialdemokraten (SPD und LINKE) wurde das gerüchteweise ja auch schon vermutet, aber bei den staatstragenden Besserverdienern mit dem Häkelwestenimage längst vergangener Tage? Da kommt einem glatt das Müsli hoch. Skandal im Grünlichtmilieu!
Nun ist guter Rat ganz schön teuer. Nach bestem Baden-Württembergischem Vorbild muß ein Schlichter her, nein, besser noch zwei, wegen der Quote. Nämlich Frau Hustedt, ihres Zeichens Politikberaterin, und Herr Wieland, ehemals sehr kurzzeitiger Justizsenator. Die sollen’s nun richten. Wetten daß?
Auch für den medizinischen Laien zeigen sich deutlich die Symptome jener seltsamen Krankheit, die mehltauartig die politischen Führungsfiguren jedweder Couleur befällt, und zwar periodisch. Man nennt sie Morbus Berlinensis, sie geht einher mit ausgeprägtem Hauen und Stechen, besonders in den eigenen Reihen. Der Forschung ist es bislang nicht gelungen, ein wirksames Mittel dagegen zu entwickeln. Die Rückfallquote scheinbar schon Geheilter ist einfach zu groß. Letztes Beispiel lieferte der flotte Dreier CDU/CSU/FDP der Bundesregierung. Selbst nach weitestgehender Isolierung des Haupterregers Guido W., konnte die Epidemie, trotz oder wegen des medizinischen Fachpersonals in den eigenen Reihen, nicht wirklich eingedämmt werden, sondern schwelt lustig vor sich hin und bricht immer mal wieder aus. Derzeit neben Berlin auch in Bayern in der Franz-Josef Gedächtnis-Union, der christlich-sozialen, oder wie die sich auch immer verharmlost.
Nein, Morbus Berlinensis ist weder mit der Vogelgrippe noch mit der Schweinepest zu vergleichen, das nicht. Eher schon mit Rinderwahn. Oder Größenwahn, oder einer Kombination aus beidem. Menschliches Leid und Elend eben, aber Genaues weiß man halt nicht.
Springen wir von der Intensivstation der Arroganz zurück ins tägliche Leben. Michael Sommer, ehemals Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei in Westberlin, jetzt in der SPD und DGB Vorsitzender, hat auf einen Sitz im Parteivorstand der Sozen verzichtet, um „den DGB und die Einheitsgewerkschaft nicht zu beschädigen“. Eine edle Einstellung, die man grundsätzlich nur unterstützen kann. Obwohl, wäre dem Michael diese Erkenntnis schon früher gekommen, hätte er konsequenterweise auf den DGB-Vorsitz verzichten müssen. Ob er die SPD nun beschädigt oder andere das tun, ist sowieso egal.
Zum Schluß der Kalauer des Monats. Frau Knobloch (auch kein Druckfehler), Charlotte, vormals Chefin im Zentralrat der Juden, kritisiert in einem offenen Brief den Abgeordneten der Piratenpartei Claus-Brunner, weil er ein Palästinensertuch trägt und bezichtigt ihn deswegen einer „anti-jüdischen Gesinnung“ und der „Sympathie für Gewalttätigkeit“. Mensch Lottchen, da haben wir aber diesmal ein bißchen tief in die Mottenkiste der Haut-Couture gegriffen oder gar gleich völlig daneben.
Wäre das alles nicht so lächerlich, könnte man meinen, zu viel freie Zeit ohne sinnvolle Beschäftigung lassen in manchen Köpfen die Flausen unverhältnismäßig wachsen. Oder verkümmern. Je nachdem.

November 2011

 

 

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