Die Taborkirche in Wilhelmshagen ist in
einer Zeit der „Vormoderne“ zwischen der Jahrhundertwende und dem Ersten
Weltkrieg von der Architektengemeinschaft Jürgensen & Bachmann, die sich
durch zahlreiche preisgekrönte Wettbewerbsentwürfe in der Fachwelt einen
exzellenten Ruf erworben hatte, erbaut worden.
Die vorliegende kunsthistorische Untersuchung der Verfasserin zeigt,
dass sich Architektur und Innenausstattung des Gotteshauses auf
protestantische Dorfkirchen des 17. und 18. Jahrhunderts beziehen,
jedoch dabei zeitgenössische Stilelemente aufweisen.
Ferner wird die mit der Ortsgründung im Jahr 1892 verknüpfte,
ungewöhnlich schwierige und von Gerichtsprozessen begleitete
Baugeschichte ebenso dargestellt wie der Zeitgeist und die konservative,
bürgerliche Gesinnung, die die Bewohner der „Kolonie“ charakterisierte.
Historisches Bildmaterial, Notizen aus Archiven und persönliche
Erinnerungen an die Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges
vermitteln Einblicke in das Gemeindeleben bis zur Gegenwart.
Inhalt
Inhalt
Vorwort von Stefan Förster 7
1 Ortsgründung und Kirchenbauverpflichtung 9
2 Die Baugeschichte 13
3 Die Taborkirche zu ihrer Entstehungszeit 35
Das Äußere 35
Das Innere 42
Die Glasmalereien in den Kirchenfenstern 55
4 Zeitgeist und Stil 69
Der Blick zurück zu den kulturellen Wurzeln 69
Die Heimatschutzbewegung 70
Die Wiederentdeckung der historischen Dorfkirche 71
Der Königliche Baurat Georg Büttner 80
Zum Stil der Taborkirche 83
5 Die Bauherren: Pastor Krüger und der Gemeindekirchenrat 85
Der Vorsitzende des Gemeindekirchenrats 85
Notizen über die Gemeinde 89
Die Pfarrer und Hilfsprediger der Gemeinde 91
6 Die Architekten Peter Jürgensen und Jürgen Bachmann 93
Biographisches im Überblick 93
Peter Jürgensen 93
Jürgen Bachmann 95
Die von der Architektengemeinschaft in der Zeit ihres Bestehens von
1903–1918 ausgeführten Bauten 101
7 Wie es weiterging... 105
Notizen aus Archiven und Lokalzeitung mit Erinnerungen und
Beiträgen von Gemeindegliedern 105
8 Quellen- und Literaturhinweise 167
Abbildungs- und Fotonachweis 169
Über die Autorin 170
Leseprobe aus den Erinnerungen von
Gemeindemitgliedern
Notizen aus Archiven und Lokalzeitung mit
Erinnerungen und Beiträgen von Gemeindegliedern
1911 Nach den Einweihungsfeierlichkeiten zog sich Hilfsprediger
Krüger vollständig zurück.
Das Architektenbüro Jürgensen & Bachmann schickte Mahnungen, da bei
ihnen noch das Honorar von 4 876 Mark offen war. Ferner erinnerte die
Firma Paul Voelkner, Bromberg, laufend an die Begleichung des
ausstehenden Betrages von 5 200 Mark für die Orgel. Sie beschwerte sich
wie auch die Architekten über die Verschleppung der Bezahlung beim
Königlichen Konsistorium.
Das Konsistorium forderte daraufhin vom Gemeindekirchenrat, die Mittel
für Orgel und Glocken aufzutreiben – jedoch ohne Erfolg.
Im August des Jahres wurde der Bau der Friedhofskapelle ausgeschrieben.
Die Sitzungen des Gemeindekirchenrats von Rahnsdorf fanden nun stets in
der Sakristei der Taborkirche statt.
Es stellte sich im weiteren Verlauf des Jahres 1911 heraus, dass auf der
Gemeinde Rahnsdorf ganz erhebliche Schulden als Folge des Kirchenbaus
lasteten.
Besonders groß war der Ärger der Gemeinde, als sie sich an den
Reparaturkosten des Pfarrhauses in Klein-Schönebeck beteiligen musste,
obwohl zu der dortigen Gemeinde keine Beziehungen mehr bestanden.
Nach Krügers Versetzung in das Dorf Drense/Uckermark zum 15. 11.1911
übernahm Hilfsprediger Gabbe aus Berlin das Amt in Wilhelmshagen.
Am 25.11.1911 mahnte das Konsistorium Pfarrer Krüger, dass er im
Rückstand mit seinen Berichten über den Kirchenbau wäre, insbesondere
beträfe das die Kirchenkassenaufwendungen der Jahre 1908–1910. Am
20.12.1911 fuhr er wegen unerledigter Amtsgeschäfte nach Wilhelmshagen.
Es wurden sämtliche Schriftwechsel und Zahlungsbelege der
Kirchenbaukasse, die Krüger nun übergab, von einem Mitglied des
Gemeindekirchenrats, dem Architekten Paul Hentschel, überprüft.
1912 Seine oben im Kapitel 2 angeführte Aufstellung vom 24.1.1912
hatte offene Verbindlichkeiten von insgesamt 20 824,89 Mark ergeben. Um
sie zu begleichen, musste die Gemeinde über Jahre die ausstehenden
Schulden abzahlen.
Sie war immer noch ein Sprengel von Klein-Schönebeck, obwohl die Bildung
einer eigenen Kirchengemeinde bereits im April 1896 von einer
Versammlung der evangelischen Hausväter beschlossen worden war.
Am 1.1.1912 übernahm Pastor Repke die Hilfspredigerstelle von Pastor
Gabbe.
1914 Der schwelende Konflikt mit den Architekten blieb ungelöst,
da Pfarrer Krüger darauf beharrte, Jürgensen hätte ihm mündlich
zugesagt, auf das Honorar zu verzichten. Dieser bestritt das, und die
Bürogemeinschaft Jürgensen & Bachmann verklagte schließlich die
Gemeinde, weil sie sich weiterhin weigerte, das Honorar zu bezahlen.
Jürgensen sah sich gezwungen, vor Gericht unter Eid auszusagen.
Aktenkundig ist, dass er zögerte, woraufhin die Gemeinde sich schon
Hoffnungen machte und ihn fragen ließ, ob er zu einem Vergleich bereit
wäre. Dies lehnte er aber kategorisch ab und leistete den von ihm
geforderten Eid.
Daraufhin wurde die Gemeinde am 3.2.1914 vom Kammergericht Berlin zur
Zahlung des Architektenhonorars an Jürgensen & Bachmann verurteilt. Im
Juni 1914 musste sie deshalb bei der Mitteldeutschen Kreditbank in
Friedrichshagen einen Kredit über 10 000 Mark aufnehmen. Im Jahr 1916
löste sie diesen mit einem höheren Kredit von 13 000 Mark ab.
Zu Beginn des Ersten Weltkrieges wurde die Heilanstalt, auch Krankenhaus
genannt, der Norddeutschen Holzberufsgenossenschaft, die 20 Jahre zuvor
erste Gottesdienststätte der Wilhelmshagener war, in ein Reservelazarett
des Kaiserlichen Heeres umgewandelt. Am 14. Oktober kam der erste
Transport mit 121 Verwundeten an.
1917 Es sollten die Glocken beschlagnahmt werden. Pfarrer Repke
berichtete, sie wären aus Eisenguss und würden deshalb für eine
Beschlagnahme nicht in Betracht kommen.
Die Orgelpfeifen aus Zinn mussten aber ausgebaut werden, weil das
Material für Kriegszwecke gebraucht wurde. Die Orgelherstellerfirma Paul
Voelkner baute der Gemeinde Ersatzpfeifen aus Zinkguss ein.
1918 Die Gemeinde nahm mit Dank ein vergoldetes Holzkreuz mit
Schutzglas und vergoldeter Konsole vom Grafen Fink von Finkenstein an,
das er zum Andenken an seine verstorbene Schwester gestiftet hatte. In
seiner Villa in der Waldstraße in Hessenwinkel hatten vor dem Bau der
Waldkapelle Gottesdienste stattgefunden.
Nach Kriegsende (im Zuge der Novemberrevolution 1918/1919) erhielt die
Heilanstalt in Wilhelmshagen eine neue Funktion: Berliner Waisenkinder
wurden aufgenommen und betreut.
Der Name „Ulmenhof“ tauchte erstmals auf.
Am 15.12. hielt Hilfsprediger Repke seine Abschiedspredigt. Er war nach
Pommern versetzt worden. Sein Nachfolger ab 1.1.1919 war Hilfsprediger
Christoph aus Riga.
1919 Der Gemeindekirchenrat bestimmte die Plätze in der Kirche,
an denen ein Bild und ein Kruzifix angebracht werden sollten.
Die Gräber der gefallenen Soldaten, die auf dem Friedhof beigesetzt
wurden, richtete die Kirchengemeinde auf ihre Kosten her.
Pastor Christoph teilte mit, dass er zum 31.3.1919 um seine Versetzung
gebeten habe und eine Pfarrstelle erhalten würde. Sein Nachfolger war
Hilfsprediger Hartmann.
In einer Gemeindekirchenratssitzung berichtete der Vorsitzende des
Kriegervereins Wilhelmshagen über eine Sitzung ortsansässiger Vereine
anlässlich der Heimkehr von Kriegsgefangenen. Ein gemeinsamer Kirchgang
mit Festgottesdienst wurde geplant.
Der Gemeindekirchenrat dankte dem Grafen Fink von Finkenstein für ein
Ölgemälde, das er der Taborkirche geschenkt hatte.
Im Herbst erwarb die Soziale Arbeitsgemeinschaft Berlin-Ost das ca. fünf
Hektar große Gelände der Heilanstalt. Es bestand aus Wald- und
Gartenflächen mit pavillonartig angeordneten Klinkersteingebäuden und
einem Haupthaus. (Abbildung 3) Der Ulmenhof wurde unter der Leitung des
Theologen und Sozialwissenschaftlers Prof. Friedrich Siegmund-Schultze
zu einer Heimstatt christlicher Nächstenliebe im Sinne des diakonischen
Auftrags.
Unter Mitarbeit einer Oberin und einer Assistentin des Holländischen
Roten Kreuzes entstand ein „Hungerkinderheim“.
1920 Im März 1920 fand eine Heimkehrfeier für die letzten
zurückgekehrten Kriegsgefangenen statt. Eine Tafel für die Gefallenen
sollte von einem einheimischen Künstler gestaltet werden. Sie ist
erhalten und befindet sich heute im Vorraum der Taborkirche (Abbildung
57).
Zur gleichen Zeit gründeten Gemeindeglieder einen Fonds, in dem Geld zur
Deckung der Kosten für die Ablösung von der Parochie Klein-Schönebeck
gesammelt werden sollte.
1923 Die Gemeinde war in großer Geldnot wegen der zunehmenden
Geldentwertung. Der Gemeindekirchenrat beschloss in kurzer Zeit mehrere
Umlageerhöhungen von 20%.
1925 Bei den oben geschilderten finanziellen Verhältnissen der
Kirchengemeinde war Geld für eine Kirchturmuhr in der Baukasse des
Jahres 1911 nicht mehr vorhanden.
Im Jahr 1925 begannen die Wilhelmshagener deshalb, für eine Uhr zu
sammeln.
Nach einem Bericht der Niederbarnimer Zeitung ging die Anregung dazu von
dem neuen Direktor Köhler der Neu-Rahnsdorf Terrain AG aus. Es wurden
Konzerte veranstaltet, bei denen um Spenden für die Anschaffung der Uhr
gebeten wurde.
1926 Pastor Krause lud zur Vorführung des Oberlin-Films
„Sprechende Hände“, der die Erfindung der Blindenschrift thematisiert,
in Wilhelmshagen und in Rahnsdorf ein.
Die Sitzungen des Gemeindekirchenrats wurden im Gasthaus Albrechtshof in
Wilhelmshagen abgehalten. Die jährliche Gemeindeversammlung fand
zusammen mit dem Jahresfest des Evangelischen Bundes im
Gesellschaftshaus Hessenwinkel statt.
1927 Im Mai beschloss die 100 Personen umfassende
Gemeindeversammlung einstimmig eine Resolution an das Konsistorium, dass
sie nunmehr konkrete Schritte zu ihrer „Verselbständigung“ als
Kirchengemeinde erwartete, da das „hiesige kirchliche Leben immer wieder
durch die Schwierigkeiten einer nicht-selbständigen Gemeinde ernstlich
gefährdet wird.“
Am 2.11.1927 bewilligte der Provinzialkirchenrat der Mark Brandenburg
schließlich eine Kapitalabfindung von 35 000 Reichsmark aus Mitteln der
Provinzialkirche zur Bildung eines Pfarrsprengels
Rahnsdorf-Wilhelmshagen und zur Gründung einer eigenen Pfarrstelle.
Die Zinsen dieses Kapitals waren dazu bestimmt, die Besoldung eines
Pfarrers einschließlich seiner Wohnung zu finanzieren. Falls
erforderlich, sollten hierfür außerdem Mittel aus dem
Kirchensteueraufkommen herangezogen werden.
1928 In einer Urkunde des Evangelischen Konsistoriums der Mark
Brandenburg wurde für den neuen Pfarrsprengel die pfarramtliche
Verbindung zu der Kirchengemeinde Klein-Schönebeck und den Gemeinden
Münchehofe, Schöneiche und der Villenkolonie Schöneiche mit Wirkung vom
1. April 1928 aufgehoben. Die Gemeinde wählte am 13.6.1928 den hier
bereits als Hilfsprediger eingesetzten Walter Mühlnickel zum Pfarrer.
Der Gemeindekirchenrat beschloss, das Geld aus dem Pfarrergehaltsfonds
als 1. Hypothek zu 10% Zinsen auf sechs Jahre unkündbar an verschiedene
Gemeindeglieder auszuleihen.
1929 Im Januar 1929 beschloss der Gemeindekirchenrat, die
Sammlung für die Turmuhr wieder aufzunehmen. Im April übergab die
örtliche Evangelische Frauenhilfe dem Fonds 1 000 Mark. Am
5. Mai fand ein Kirchenkonzert zugunsten der Sammlung statt. Der
Eintritt wurde auf 1 Mark festgesetzt.
Im September 1929 war endlich das Geld für Kauf und Einbau einer
Kirchturmuhr zusammengekommen. So wurde von der Turmuhrenfabrik Georg
Richter, ehemals Hoflieferant Seiner Majestät des Kaisers, eine Uhr
erworben und eingebaut (Abbildung 58). Am 22.9.1929 fand in einem
feierlichen Gottesdienst die Weihe statt. Anschließend traf sich die
Gemeinde zu einem Festmahl in der Gaststätte Albrechtshof.
1930 Es wurde eine Kommission zum Besuch der aus der Kirche
Ausgetretenen gebildet. Pfarrer Mühlnickel beklagte in einem Antrag an
die Kreissynode, dass zu den politisch motivierten Kirchenaustritten
solche hinzukämen, die sich (Kirchen-)Steuern ersparen wollten.
Die Pastorenwohnung war seit langer Zeit in Hessenwinkel, Lindenstraße
15. Im Jahr 1930 entbrannte eine heftige Auseinandersetzung in der
Gemeinde, weil der Gemeindekirchenrat ein am Friedhofsrand gelegenes,
der Gemeinde gehörendes Grundstück mit einem Pfarrhaus bebauen wollte.
1931 Der Konflikt löste sich erst auf, als dem Gemeindekirchenrat
im Jahr 1931 das Grundstück in der Moltkestraße 14–15 (heute
Eichbergstraße), das mit einem Mietshaus des Jahres 1895 sowie mit
Nebengebäuden bebaut war, zum Kauf angeboten wurde. Hierin waren zu
dieser Zeit zwei Fünfzimmerwohnungen, eine Dreizimmerwohnung und zwei
Zweizimmerwohnungen.
Die Gemeinde erwarb das Haus für 46 000 Reichsmark von dem Chemiker Dr.
F. W. Maas, um anschließend ab 2.10. 1931 darin das Pfarramt
einzurichten und für den Pfarrer Mühlnickel eine der beiden
Fünfzimmerwohnungen als Pfarrwohnung vorzusehen.
Die Einstellung einer Gemeindeschwester wurde im Gemeindekirchenrat
neuerdings erwogen, und dabei stellte sich heraus, dass die Gemeinde vor
20 Jahren – also zur Zeit des Kirchenbauens – schon einmal eine hatte,
die dann aber wegen Geldmangels wieder entlassen werden musste.
1932 Die Wahlliste zum Gemeindekirchenrat wies für das Jahr 1932
in Wilhelmshagen 363 Wähler aus und für Hessenwinkel 91.
1933 Bereits im Jahr 1933 beobachteten die Ortsgruppe der NSDAP
und die nationalsozialistisch orientierte Glaubensbewegung „Deutsche
Christen“ genau, was von der Kanzel gesprochen wurde und griffen auch zu
nicht näher bezeichneten Maßnahmen, wenn sie damit nicht einverstanden
waren.
Die Konfirmanden mussten auf Anordnung der Ortsgruppe der NSDAP auch
Fragen beantworten, die nationalsozialistisches Gedankengut betrafen und
von den Parteiorganisationen formuliert worden waren. Ferner musste der
Glaubensbewegung „Deutsche Christen“ die Kirche für Abendgottesdienste
zur Verfügung gestellt werden.
1934 Im Gemeindekirchenrat diskutierten die Mitglieder über
Gewalttätigkeiten gegen Pfarrer und über die nationalsozialistische
Beeinflussung der Kirche.
1935 Es wurden Umbauarbeiten an den Nebengebäuden des Pfarrhauses
ausgeführt: Ein Gemeindesaal entstand; und ein neues Gemeindehaus konnte
eingeweiht werden. Die Fenster der Taborkirche wurden ausgebessert.
Trotz großer Vorbehalte gegen nationalsozialistische Organisationen war
man bereit, der Winterhilfe und NSV (Nationalsozialistische
Volkswohlfahrt) einen kleineren Betrag zu spenden.
1936 Im Ortsteil Rahnsdorf, im Püttbergeweg, wurde das Johann-
Hinrich-Wichernheim gebaut, das als Gemeindezentrum dienen sollte.
1937 Die Konfirmanden hatten Schäden im Gemeinderaum angerichtet,
und es kam der Vorschlag auf, ihnen mit der Verweigerung der
Konfirmation zu drohen.
Am 6. September hatte ein Festgottesdienst aus Anlass des 25-jährigen
Bestehens der Taborkirche und der Waldkapelle stattgefunden.
1939 Pfarrer Bruckhoff teilte dem Gemeindekirchenrat im Juni mit,
dass das Bezirksamt Köpenick die Eröffnung des Gemeindekindergartens
abgelehnt hatte, weil kein christlicher Kindergarten gewünscht wurde.
1942 Ein Beschluss im März sah vor, als Ersatz für die
beschlagnahmten Glocken der Taborkirche und der Waldkapelle je eine
Ersatzglocke zu beschaffen.
1945 Nach dem Einmarsch der Roten Armee am 21. April 1945 wurde
die Vikarin Ruth Makowski mit der pfarramtlichen Versorgung der Gemeinde
betraut.
In der Zeit nach dem Kriegsende war der Kirchplatz zunächst als Friedhof
für die gefallenen russischen Soldaten von der Besatzungsmacht
ausgewählt und eine Umzäunung dafür hergestellt worden. Dieses Vorhaben
hat die Besatzungsmacht jedoch bald zugunsten eines anderen
Friedhofstandorts aufgegeben.
Christel Bruckhoff: Erinnerungen
Der Ausbruch des Krieges belastete die Gemeinde stark. 1943 wurde auch
Pfarrer Bruckhoff eingezogen. Das Gemeindeleben wurde von den
zurückgebliebenen Frauen gestaltet (Abbildung 59), die sich aber auch um
ihre Familien zu kümmern hatten. Von Pfarrvikarin Makowski, der
Frauenhilfe und anderen Helfern wurde die Gemeinde durch die schwere
Zeit geleitet. Lesegottesdienste fanden statt und Pfarrer im Ruhestand
halfen aus.
Rahnsdorf als Ganzes wurde zwar von großen Kriegsschäden verschont,
direkt am Pfarrhaus ging aber eine Granate nieder und verbreitete
Schrecken. Am 21. April 1945 besetzten die sowjetischen Truppen den Ort
und einige Rotarmisten kamen ins Pfarrhaus. Sie wollten in die Kirche,
da sich dort Kämpfer versteckt haben könnten. Frau Bruckhoff musste mit
Tochter und Sohn, mit weißen Armbinden und einem großen weißen Tuch zur
Taborkirche laufen. Kein Mensch war weit und breit zu sehen. Es war ein
schreckliches Erlebnis für die drei. Die Soldaten kontrollierten die
Kirche; sie war leer und die drei wurden von den Soldaten zurück in das
Pfarrhaus gebracht.
Die nachfolgende Zeit war sehr schwer, besonders für die Frauen....
Alle litten großen Hunger und wer am Abend einen Kanten Brot sein eigen
nannte, kam sich schon reich vor. Die Kinder, auch die des Pfarrers,
bettelten bei den Russen um Brot und bekamen auch meist etwas. Viele
durchziehende Flüchtlinge klopften im Pfarrhaus an und baten um Hilfe.
Einige der Flüchtlingsfamilien blieben in der Gemeinde und Frau
Bruckhoff kümmerte sich um sie, damit sie sich in der Gemeinde
wohlfühlen konnten. Unter den Frauen half man sich, weil die Not sehr
groß war.
Als Pfarrer Bruckhoff aus der Gefangenschaft kam, erkannten ihn seine
Kinder nicht und meinten zur Mutter: „Da steht schon wieder ein fremder
Soldat und will was zum essen!“
Die Gemeinde erholte sich von den Kriegswirren, es gab vielerlei
Aktivitäten. Der Zusammenhalt untereinander war sehr stark und so konnte
vieles erreicht werden. Der Neubau des Kindergartens in Rahnsdorf setzte
ein starkes Zeichen nicht nur in der Gemeinde. Es gab eine sehr aktive
Frauenhilfe und einen großen Männerkreis.
Diese Gruppen wurden für viele Einsätze der Gemeinde aktiviert, so z.B.
auch damals schon für Putzaktionen, aber auch für das Sammeln des
Opfergroschens (mit der Sammelbüchse auf den Straßen!). Auch die
katechetische Arbeit wurde nach dem Krieg mit großem Elan und
engagierten Mitarbeitern aufgebaut. Ebenso gab es Diakonissen, die als
Gemeindeschwestern tätig waren. Die Rendanten, die für die Verwaltung
eingestellt waren, arbeiteten mit Fleiß und Einsatz auch als Küster.
Die Arbeit für den Ulmenhof nahm breiten Raum in der Gemeindearbeit ein.
Pfarrer Bruckhoff sorgte mit dafür, dass behinderte Kinder und junge
Menschen im Ulmenhof eine Heimat fanden.
Trotz staatlicher Widerstände gab es auch in der Kirchengemeinde
Rahnsdorf, wie überall im Kirchenkreis, eine Junge Gemeinde. Junge
Menschen bekannten, dass sie zu Christus gehörten und nahmen dafür
Schwierigkeiten in Kauf. Oft stellte sich Pfarrer Bruckhoff schützend
vor sie.
Die Junge Gemeinde feierte fröhliche Feste; berühmt waren die
Faschingsfeten, zu denen sich auch der Pfarrer verkleidete. Sehr beliebt
waren bei allen Gemeindegliedern die Ausflüge (Abbildung 60) und
Dampferfahrten.
Ein großes Fest konnte am Pfingstsonntag, 25. Mai 1958, gefeiert werden.
Endlich riefen wieder Glocken zum Gottesdienst. Ein Gemeindeglied kann
sich noch daran erinnern, dass sie als Schulkind miterlebte, wie die
Glocken 1943 aus dem Turm über die Fenster herunter gelassen wurden, um
sie zum Einschmelzen zu bringen.
Viele Aktivitäten fanden damals nur durch die Unterstützung der
Partnergemeinden statt.
An jedem Sonntag gab es je einen Gottesdienst in Wilhelmshagen, in
Rahnsdorf und in Hessenwinkel. Die gottesdienstlichen Räume hatten
Ofenheizung, und wer musste im Winter heizen (dazu gehörte es auch, die
Asche zu entnehmen)??
Auch die Glocken wurden teilweise mit Armkraft bewegt. Manches kann man
sich heute nicht mehr vorstellen. Auch der Beruf bzw. die Tätigkeit
einer Pfarrfrau gehört dazu. War der Kantor sonntags im anderen
Gemeindeteil, musste die Pfarrfrau an die Orgel. Frauenhilfe, Chor,
Putzen, Bürodienste und vieles mehr – alles um Gotteslohn, Gehalt gab es
dafür nicht.
Auch die Kinder der Pfarrfamilie wurden selbstverständlich mit
einbezogen: Sie mussten bei Gemeindefesten Gedichte aufsagen, Flöte
spielen, beim jährlichen Krippenspiel mitwirken, Botengänge machen usw.
– Nicht alle Aufgaben riefen bei den Dreien ungeteilte Freude hervor,
aber die Gemeinde ging allem anderen vor. Das Pfarrhaus stand für
jedermann zu jeder Zeit und Stunde offen.
1971 gab Pfarrer Bruckhoff schweren Herzens nach 36 Jahren Dienst in
der Kirchengemeinde Rahnsdorf sein Amt auf. Da in der DDR keine Wohnung
für sie zu bekommen war und sie die Pfarrwohnung bereits ein Jahr mit
den Nachfolgern teilten, zog das Ehepaar 1972 nach Bensberg bei Köln.
Hier verstarb Dore Bruckhoff 1973, im Alter von 58 Jahren. Viele in der
Gemeinde erinnern sich noch heute an sie und ihre warmherzige und
ausgleichende Art. Pfarrer Bruckhoff verstarb im Jahre 2000 in Frankfurt
an der Oder.
1946 Am 3. März eröffnet der aus der Gefangenschaft
zurückgekehrte Pfarrer Bruckhoff seine erste Gemeindekirchenratssitzung
mit einem Bericht, in dem er mit eindringlichen Worten darauf hinwies,
dass nach dem katastrophalen Ende des Krieges die Kirche die einzige
Instanz ist, die uns das Tor zur Welt wieder öffnen könnte.
Gleichzeitig wurden Schuldbekenntnisse der Kirchen verlesen und über die
Hilfsbereitschaft der englischen Kirche berichtet.
Es gelang unter schwierigen Umständen, in der Baracke wieder einen
Kindergarten einzurichten.
1947 Der katholischen Gemeinde wurde die Mitbenutzung der
Taborkirche gestattet.
Der Gemeindekirchenrat protestierte gegen die Berliner Schulreform, die
keine christliche Erziehung mehr vorsah.
1948 Im März bemühte sich Pfarrer Bruckhoff, die insgesamt sieben
im Krieg beschlagnahmten Bronzeglocken der Gemeinde zurück zu erhalten.
Lediglich eine kleine Leihglocke der Firma Voss aus Zinkguss hing zu
dieser Zeit im Turm der Taborkirche anstelle der ursprünglichen drei
Bronzeglocken.
Die Finanzlage der Kirchengemeinde hatte sich durch die Währungsreform
katastrophal entwickelt. Die Kassen waren völlig leer. Bischof Dibelius
schlug vor, in den Kirchen Opferlisten auszulegen. Der so genannte
Opfergroschen für die Christenlehre wurde erhoben. Man hatte sich auf
einem Formular schriftlich verpflichtet, zwischen 50 Pf und 5 Mark
monatlich zu zahlen. Gemeindeglieder gingen in die Häuser und sammelten
das Geld gegen Quittung ein.
1949 Von jedem Kind mussten nun 50 Pfennig verlangt werden, wenn
es am Religionsunterricht teilnahm. Die Jugendarbeit sollte aufgebaut
werden, denn die Erziehung der Jugend wurde als vordringliche Aufgabe
angesehen (Abbildung 61). Christliche Schulen wurden zu dieser Zeit vom
Ausland unterhalten, da die Deutschen selbst durch den verlorenen Krieg
mittellos waren.
1950 Die Gemeinde erhält als Ersatz für die verlorenen
Bronzeglocken eine Bronzeglocke für die Taborkirche, die ursprünglich
aus dem Kreis Lebus stammte.
Es erschien ein neues Gesangbuch. Allerdings sind darin viele alte
Lieder vermisst worden.
Monat für Monat waren Kirchenaustritte zu verzeichnen, die nicht nur die
Gemeinde selbst schwächten, sondern auch die Kirchensteuereinnahmen
erheblich verminderten.
1951 In Berlin fand der (3.) Deutsche Evangelische Kirchentag
statt, die Gemeinde nahm aktiv daran teil.
In der Taborkirche war die Wiederherstellung der Seitenfenster und
Rahmen erforderlich. Die Arbeiten verursachten Kosten in Höhe von 5 700
DM und wurden von dem Glasermeister Roskeit, Alt-Glienicke, ausgeführt.
Auch Heizkessel und Turmuhr mussten repariert werden.
Es wurde eine Motorbootfahrt am 10.9.1951 für die Gemeinde um 10 Uhr ab
dem Neuen Krug organisiert.
Am 4. Advent fand in der Taborkirche ein Krippenspiel statt.
Der örtliche Verband des Evangelischen Bundes feierte am 11. November
30-jähriges Bestehen.
Jugendfreizeiten erfreuten sich großer Beliebtheit.
|