Inhalt
Einführung......................................................... vii
Die Frühzeit der Indologie in Berlin .........................1
Harry Falk
Academic Politics and Questions of Method: Bopp, Schlegel,
and the Beginnings of Indology at the University of Berlin.............11
Indra Sengupta
„Turfan“ und die Berliner Indologie ............................35
Caren Dreyer
Südasiatische Sprach- und Musikaufnahmen im Lautarchiv
der Humboldt-Universität zu Berlin............65
Jürgen-K. Mahrenholz
Die Rolle der Berliner Indologie und Indienkunde
im „Dritten Reich“.................89
Maria Framke
Zur Geschichte der neuindologischen Studien an der Berliner
Friedrich-Wilhelms-/Humboldt-Universität (1865–2012).............129
Hannelore Lötzke
Von der Philologie zur Gesellschaftswissenschaft?
Berliner Südasienforschung in der Zeit der DDR..........................165
Michael Maschke
Jana Tschurenev
Südasien an der Freien Universität Berlin. Eine Annäherung
an die Zeit zwischen Blockade und Wende ..............................203
Axel Klein
Das Museum für Indische Kunst – von seiner Gründung 1963
bis zur Abwicklung 2007.............................235
Marianne Yaldiz
Indologie/Südasienwissenschaften an der Deutschen Akademie
der Wissenschaften (AdW) zu Berlin bzw. der Akademie
der Wissenschaften der DDR zwischen 1947 und 1991......259
Annemarie Hafner
Südasienwissenschaften am Forschungsschwerpunkt
Moderner Orient (1992–1995) und am Zentrum Moderner
Orient (1996–2010) .....................285
Heike Liebau
Die Berliner Indologie und Südasienkunde im Strudel der
Hochschulpolitik der 1990er und 2000er Jahre.
Dokumentation einer wissenschaftspolitischen Fehlleistung.........305
Ingo Strauch
Ausblick ...................................331
Nadja-Christina Schneider
Index................................337
Einführung
Das Vorhaben, einen Band über die Geschichte der Berliner Indologie
und Südasienstudien zusammenzustellen, reifte über viele Jahre.
Doch erst die existentielle Bedrohung unserer Fächer im Herbst
2007 – ausgelöst durch den Beschluss des damaligen Präsidiums der
Humboldt-Universität, den Bereich Südasien ganz aus dem Profil des
Asien-Afrika-Instituts zu streichen – führte die Herausgeber zusammen
und ließ den Ideen endlich auch konkrete Schritte folgen.
Ein wichtiger Zwischenschritt auf diesem Weg war ein Workshop
an der Humboldt-Universität, der im Februar 2010 die meisten beteiligten
Autoren zusammenführte. Die vorliegenden Arbeiten sind
auch Ergebnis der überaus anregenden, durchaus auch kontroversen
Diskussionen auf diesem Workshop. Dass es weiterer vier Jahre bedurfte,
um dieses Projekt nun zum Abschluss zu bringen, ist vor allem
den zahlreichen anderen Verpflichtungen der Herausgeber geschuldet.
Es soll aber nicht verschwiegen werden, dass auch eine Reihe inhaltlicher
Diskussionen den Herausgabeprozess begleiteten, die zwar eine
zeitliche Verzögerung mit sich brachten, aber dem Buch als Ganzes
sicher nutzen konnten.
Der vorliegende Band konnte auch von einigen bereits vorliegenden
Arbeiten zu einzelnen Institutionen und Personen der Berliner Indologie
und Südasienstudien profitieren. Von besonderem Stellenwert sind hier
die Studien Wolfgang Morgenroths zum Seminar für Orientalische
Sprachen1 und Ludwig Alsdorfs ausführlicher Aufsatz über „Die
Indologie in Berlin von 1812–1945“.
Grundlegender Ausgangspunkt unseres Vorhabens war der besondere
Charakter der Berliner Wissenschaftslandschaft, die von einer Vielzahl
von Institutionen geprägt war und ist, welche sich auf methodisch und
inhaltlich ebenso vielfältige Weise mit der Region Südasien befassen.
Ein zusätzliches Berliner Charakteristikum ist die jahrzehntelange
Teilung der Stadt und der darauf folgende, z.T. sehr widerspruchsvolle
Vereinigungsprozess, welcher der zuvor bereits bestehenden institutionellen
Vielfalt eine weitere Dimension hinzufügte.
Es war unser Ziel, herauszufinden, wie sich die Indologie und die
anderen südasienbezogenen Wissenschaften in diesen Institutionen
etabliert haben und inwieweit sie in der Lage waren, die Vielfalt der
Berliner Wissenschaftslandschaft zur Herausbildung eines eigenen
Netzwerkes zu nutzen. Diese Frage sollte aus einer streng geschichtlichen
Perspektive gestellt und aus dieser Perspektive bis in die heutige
Zeit verfolgt werden.
Die unterschiedlichen historischen Epochen und verfügbaren Quellen
machten auch diverse methodische Ansätze erforderlich. Darüber
hinaus war es unser Anliegen, möglichst Vertreter verschiedener
Disziplinen und auch unterschiedlicher wissenschaftlicher und institutioneller
Herkunft in diesem Projekt zu vereinen. Zwangsläufig wird
das Ergebnis daher sehr heterogen sein, die Perspektiven der Autoren
werden sich unterscheiden wie auch die Methoden, die sie in ihren
Beiträgen anwenden. Doch statt dies als Nachteil zu sehen, sollten wir
diese Vielfalt von vornherein als Vorteil betrachten. Gerade diese Mannigfaltigkeit
der Perspektiven kann helfen, eingefahrene Denkmuster
zu überwinden und sich selbst aus einer neuen, zunächst ungewohnten
Sichtweise zu erleben.
Dass im Titel und auch im Vorwort von „Indologie und Südasienstudien“
die Rede ist, verlangt nach einer Erklärung. Im Sinne einer
unlängst von Mitgliedern der Sektion „Indologie und Südasienkunde“
der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft erarbeiteten Definition
verstehen wir Indologie hier als „eine auf den indischen Kulturraum
bezogene, primär historisch-philologisch arbeitende Erkenntniswissenschaft
auf der Grundlage von Quellen“. Andere mit dem geographischen
oder auch kulturellen Raum befasste Disziplinen werden hier
als „Südasienwissenschaften“ oder „Südasienkunde“ (englisch: South
Asian Studies) bezeichnet, z.B. die südasienbezogene Ethnologie oder
Geschichtswissenschaft. Doch sollte die nach wie vor nicht ganz klare
definitorische Abgrenzung uns nicht darin hindern, nach gemeinsamen
Sichtweisen zu suchen und zu klären, inwieweit unser jeweils eigenes
Fachverständnis sich unter ein gemeinsames Dach „Indologie/Südasienstudien“
stellen lässt und inwieweit diese Verfahrensweise tragfähig ist.
Mit anderen Worten: Dieses Projekt sollte auch aus der Erfahrung der
z.T. schwierigen Verständigung der letzten Jahrzehnte dazu verhelfen,
sich unserer Gemeinsamkeiten bewusst zu werden. Wie sahen sich
unsere Fächer selbst im Laufe ihrer Geschichte, wie verhielten sie sich
zueinander im Rahmen ihrer jeweiligen institutionellen Einbindung?
Bei der Gliederung des Buchs und der Auswahl der Beiträge waren
uns zwei Aspekte wichtig: Zum einen sollten möglichst viele geistes- und
sozialwissenschaftliche Fächer vertreten sein, die sich in Berlin
mit der Region Südasien befassen. Zum anderen sollte dabei nicht die
historische Tiefe verlorengehen.
Es schien daher sinnvoll, die Entwicklung der Berliner Indologie
und Südasienstudien in ein zugegebenermaßen grobes historisches
Raster einzufügen, das grundlegende Entwicklungen vor dem Hintergrund
des allgemeinen geschichtlichen Kontextes sichtbar macht. Wir
danken an dieser Stelle ausdrücklich Herrn Professor Dr. Wolfgang
Morgenroth, der sich im Vorfeld und während des eingangs erwähnten
Workshops an der Ausgestaltung dieses geschichtlichen Überblicks
beteiligte. Dieser Überblick erwähnt nicht nur die Schwerpunkte und
Institutionen der südasienbezogenen Fächer, sondern auch eine Reihe
von Einzelpersönlichkeiten, deren Wirken maßgeblich war für die
Entwicklung der jeweiligen Fächer.
Kurzbeschreibung der Beiträge
Harry Falk wendet sich in seinem Beitrag den Anfängen der Berliner
Indologie zu. Während unter den Brüdern Schlegel, Franz Bopp, Wilhelm
von Humboldt und Friedrich Rückert das Interesse noch ganz sprach- und
literaturwissenschaftlich und stark von der deutschen Romantik
geprägt ist, beginnt mit Albrecht Weber die „rational-analytische,
kulturhistorisch orientierte Indologie“, die von da an charakteristisch
für den Berliner Lehrstuhl war. Von entscheidender Bedeutung für
diese inhaltliche Neuausrichtung war der Erwerb der Chambers-Handschriftensammlung durch die Königliche Bibliothek zu Berlin,
die fortan den Arbeitsschwerpunkt Webers bildete.
Am Beispiel des Preußenkönigs Friedrich Wilhelms IV. zeigt Falk,
wie der Geist der Romantik die Beschäftigung mit dem Sanskrit auch
in das preußische Königshaus trug, das unter dem Einfluss Wilhelm
von Humboldts maßgeblich an der Etablierung indologischer Studien
an der Berliner Universität beteiligt war.
Indra Sengupta zeichnet in ihrem Beitrag die Anfänge der indologischen
Studien an der Berliner Universität nach und gibt dabei ebenfalls
Einblick in die frühe Geschichte der akademischen Indologie in
Deutschland. Am Beispiel von Franz Bopp, dem ersten deutschen
Lehrstuhlinhaber, dessen Professur zugleich mit komparativer Linguistik
ausdrücklich dem Studium und Unterrichten des Sanskrits gewidmet
war, veranschaulicht sie nicht nur die politischen und wissenschaftlichen
Rahmenbedingungen, die der Institutionalisierung der Indologie auf
deutschem Territorium Vorschub leisteten. Wie Sengupta überzeugend
argumentiert, stellte Bopps Berufung an die Berliner Universität
außerdem eine bedeutsame Veränderung innerhalb der akademischen
Kultur Preußens dar – von Theologie hin zu Philologie und Linguistik.
Detailliert analysiert die Autorin die methodologische Rivalität zwischen
August Wilhelm Schlegel, Professor an der Philosophischen Fakultät
in Bonn, und Franz Bopp und sieht in ihr einen wichtigen Faktor für
die Entwicklung verschiedener indologischer Forschungstraditionen
in Preußen und Deutschland.
Caren Dreyer behandelt in ihrem Beitrag einen Wendepunkt der Berliner
Indologie. Mit den Königlich-Preussischen Turfan-Expeditionen
ist eine weitere inhaltliche aber auch institutionelle Neuausrichtung
verbunden. War die Indologie bis dahin ein universitäres Fach, rückt sie
nun auch stärker in den Fokus der Königlich-Preussischen Akademie
der Wissenschaften. Die dominierende Forscherpersönlichkeit dieser
Zeit ist Heinrich Lüders, der als Ordinarius der Berliner Indologie
und als Vorsitzender der Orientalischen Kommission der Akademie
der Wissenschaften die Fachgeschichte über mehr als dreißig Jahre
entscheidend prägte. Es wird deutlich, dass gerade die enge Verbindung
der Indologie mit philologischen Nachbardisziplinen wie der Iranistik
und der Turkologie eine äußerst fruchtbare und belebende Periode des
Fachs charakterisierte. Dreyer fasst aber auch die anderen Berliner
Institutionen ins Auge, in denen indologische und südasienbezogene
Forschung betrieben wurde, wie z.B. das Museum für Völkerkunde,
das Seminar für Orientalische Sprachen und die Staatsbibliothek,
und zeigt, wie deren institutionelle und personelle Vernetzung eine
Voraussetzung für das erfolgreiche Wirken indologischer Lehre und
Forschung war.
Jürgen-K. Mahrenholz gibt in seinem Beitrag einen Überblick über
eine hochinteressante Sammlung von Tondokumenten südasiatischer
Sprachen und Musikstile auf Schellackplattenaufnahmen von Kriegsgefangenen
im Ersten Weltkrieg, die im sogenannten Halbmondlager
in Wünsdorf bei Berlin entstanden. Er zeichnet die im Jahr 1915 beginnende
Geschichte der einzigartigen Sammlung des Lautarchivs an
der Friedrich-Wilhelms- bzw. der späteren Humboldt-Universität mit
seinem Gründer Wilhelm Doegen (1877–1967) und bekannten Mitgliedern
der Phonographischen Kommission, wie Heinrich Lüders und
Helmuth von Glasenapp, nach und geht auf Sammlungsschwerpunkte
dieser gleichermaßen für Forschung und Lehre gedachten, seit 2005
vollständig digitalisierten Dokumentation vor dem Hintergrund damaliger
kolonialer Interessen Deutschlands ein.
Maria Framke wendet sich in ihrer Studie einer der schwierigsten
Perioden der Berliner Indologie zu – der Zeit des Nationalsozialismus. Auf
der Grundlage aufwendiger Archivrecherchen gelingt es ihr zu zeigen,
dass die Berlin Indologie trotz der persönlichen Verstrickung einzelner
ihrer Vertreter nur wenig in den Dienst der nationalsozialistischen
Ideologie gestellt wurde. Schwieriger ist die Lage während des Zweiten
Weltkrieges an der Auslandswissenschaftlichen Fakultät, deren Nähe
zu politischen Institutionen per se eher die Zusammenarbeit mit
den Machthabern erleichterte. Am Beispiel der dort beschäftigten
Wissenschaftler Ludwig Alsdorf und Devendra Nath Bannerjea zeigt
Framke, auf welche Weise die politischen Verhältnisse in dieser Zeit
das persönliche Verhalten und hochschulpolitische Entwicklungen
bestimmten.
Hannelore Lötzke beschäftigt sich in ihrem Beitrag mit der Geschichte
neuindologischer Studien an der Berliner Friedrich-Wilhelms-/Humboldt-Universität von 1865–2012. Dabei zeichnet sie detailliert die
Entwicklung der wissenschaftlichen Beschäftigung mit neuindischen
Sprachen und Literaturen sowie den Aufbau einer philologisch fundierten
Ausbildung auf diesen Gebieten nach. Ihr besonderes Interesse
gilt einerseits den wechselnden strukturellen Rahmenbedingungen,
unter denen sich die Ausdehnung universitärer Studien auf moderne
Sprachen und Literaturen Indiens vollzog. Andererseits legt sie einen
Fokus auf die Besonderheiten und Erfolge sowie auftretende Probleme
der Berliner neuindologischen Studien zu Zeiten der DDR.
Der Beitrag von Michael Maschke und Jana Tschurenev
befasst sich
mit der Neuausrichtung der Südasienforschung in der DDR. Walter
Ruben (1899–1982), der 1950 auf den Lehrstuhl für Indologie an die
Humboldt-Universität berufen wurde, leitete den Umbau der philologisch
orientierten Sanskritistik zu einer gesellschaftswissenschaftlich ausgerichteten
komplexen Länderwissenschaft unter marxistisch-leninistischen
Vorzeichen ein. Die Autoren stellen die wissenschaftsprogrammatische
und institutionelle Entwicklung dieser ‚Neuen Indienkunde‘ schwerpunktmäßig
bis zur Neugründung der Sektion Asienwissenschaften an der HU im Jahr 1968 dar und untersuchen damit einen Zeitraum, in
dem wichtige Weichenstellungen für die Herausbildung des Modells
der Regionalwissenschaften erfolgten.
Axel Klein behandelt in seinem Beitrag die Entwicklung der Indologie/Südasienstudien an der Freien Universität (FU) von ihrer Eröffnung im
Dezember 1948 bis zur Neuordnung der Berliner Hochschullandschaft
nach 1990 anhand der Sichtung von Vorlesungsverzeichnissen und
Archivmaterial v.a. zu wichtigen wissenschaftspolitischen Entscheidungs- und
Planungsphasen an der FU. Er verfolgt dabei den Weg der bis in
die frühen 1980er Jahre kennzeichnenden Schwerpunktsetzung auf
Indische Philologie und Kunstgeschichte und skizziert den späteren
Aufbau der südasienbezogenen Lehre und Forschung am ethnologischen
Institut der FU.
Von 1963 bis 2007 verfügten die indienbezogenen Wissenschaften Berlins
über eine ganz besondere, in Deutschland einzigartige Institution:
das Museum für Indische Kunst. Hervorgegangen aus dem Museum für
Völkerkunde, dominierte es für mehr als 40 Jahre die Beschäftigung
mit der Kunst und Archäologie des indischen Subkontinents – stets in
enger Zusammenarbeit mit dem Fach „Indische Kunstgeschichte“ der
Freien Universität Berlin. Die langjährige Direktorin des Museums
Marianne Yaldiz beschreibt die Sammlungen und die Geschichte dieses
Museums, angefangen von seiner Gründung durch Herbert Härtel, über
die epochemachenden Grabungen Hertels in Sonkh (Mathura) bis hin
zur wenig ruhmreichen Abwicklung, in deren Folge das Museum eine
Abteilung des nun bestehenden Museums für Asiatische Kunst wurde.
Einen umfassenden Überblick zur Geschichte der Indologie/Südasienwissenschaften
an der Akademie der Wissenschaften (der DDR) zwischen
1947 und 1991 liefert der Beitrag von Annemarie Hafner. In
diesem beschreibt sie eingehend die einzelnen Forschungsbereiche an
der Akademie, deren Aufgaben und Positionsbestimmung im Vergleich
zur traditionellen Indienforschung und stellt die jeweiligen Mitarbeiter
und deren wichtigste Publikationen vor. Auf dieser Grundlage veranschaulicht die Autorin sowohl die wissenschaftstheoretische, als
auch die -politische Verortung der Indologie/Südasienwissenschaften
an der Akademie der Wissenschaften. Ein weiterer Schwerpunkt des
Beitrages liegt in der Darstellung jener (außen-)politischen Faktoren,
welche die Entwicklung der südasienbezogenen Fächer an der Akademie
maßgeblich beeinflussten.
Die kurze, aber wechselvolle Geschichte des Forschungsschwerpunktes
Moderner Orient (1992–1995) sowie seiner Nachfolgeinstitution, des
Zentrums Moderner Orient (gegründet 1996), wird detailliert im Beitrag
von Heike Liebau vorgestellt. Ein Schwerpunkt ihrer Untersuchung
liegt dabei auf der Herausarbeitung der spezifischen Rolle der Südasienstudien
in beiden außeruniversitären Forschungseinrichtungen,
indem sie wichtige inhaltliche und personelle Entwicklungen für den
Zeitraum von 1992 bis 2010 nachzeichnet. Darüber hinaus beschreibt
die Autorin politische und akademische Rahmenbedingungen und Aushandlungsprozesse,
die zur Gründung der Institutionen sowie zu deren
sich im Zeitverlauf verändernden Forschungsausrichtungen führten.
Dadurch gewährt sie dem Leser interessante Einblicke in die deutsche
Wissenschaftspolitik nicht nur der unmittelbaren Nachwendezeit, sondern
der gesamten ersten zwei Jahrzehnte seit der Wiedervereinigung.
Ingo Strauch zeichnet die Entwicklung der Indologie/Südasienkunde
an FU und HU vor dem Hintergrund der Berliner Hochschulpolitik in
den 1990er und 2000er Jahre nach. Anhand öffentlich zugänglicher
Dokumente wie der Berliner Hochschulverträge 1997–2002 und
2002–2009, der Stellungnahme des Wissenschaftsrats im Jahr 2000
und der die Berliner Hochschulpolitik bestimmenden Strukturpläne
von 2004 wird das wechselvolle, die Existenz einer bedeutenden
Wissenschaftstradition bedrohende Ringen um die Neuordnung der
Hochschullandschaft im Gefolge der Wiedervereinigung aufgezeigt.
Auch wenn der Status der klassischen Indologie im Moment in Berlin
und deutschlandweit (äusserst) prekär ist, zeigt doch der Beitrag von
Nadja-Christina Schneider, dass in der multidisziplinären südasienwissenschaftlichen Forschung und Lehre viel Engagement entfaltet
wird, was die Fachentwicklung, die transregionale und interdisziplinäre
Vernetzung sowie die institutionelle (Neu-)Verankerung betrifft. Obgleich
der Aufbau institutioneller Strukturen an einigen Wissenschaftsstandorten
in den letzten Jahren als positive Entwicklung gewertet
werden kann, weist Schneider doch nachdrücklich auf das immer noch
disparate Erscheinungsbild der südasienwissenschaftlichen Fächer
hin. Auch thematisiert die Autorin in ihrem Beitrag die Situation der
Nachwuchswissenschaftler in Berlin.
Fazit
Die Zusammenschau aller Beiträge ermöglicht es, einen Überblick zu
gewinnen über die große Vielfalt indologischer und südasienwissenschaftlicher
Forschung und Lehre in Berlin über einen Zeitraum von
nahezu 200 Jahren. Dass hier Lücken bleiben müssen, bedarf kaum
weiterer Begründung. Doch eines macht dieser Überblick deutlich:
Die Indologie und Südasienstudien waren immer dann besonders
stark, wenn es ihnen gelang, sich in außeruniversitären und auch interdisziplinären
Netzwerken zu verankern. Das gilt im Falle Berlins insbesondere
für die Zeit des Wirkens von Heinrich Lüders, als mit den
Turfan-Expeditionen und den von ihnen gewonnenen Handschriften
und Kunstwerken die geeignete Basis für eine solche Vernetzung geschaffen
wurde. Der Verlust dieses Netzwerkes ist nur zum Teil den
Folgen des Zweiten Weltkrieges und der darauf folgenden Teilung
der Stadt zuzuschreiben. Sicher nahmen Indologie und Südasienstudien
in beiden Teilen der Stadt unterschiedliche Entwicklungen,
aber selten nur waren sie je in ihrer Existenz bedroht. Nach anfänglich
großen Schwierigkeiten nach dem Ausscheiden Rubens haben sich südasienbezogene
Wissenschaften erfolgreich im Rahmen der
Asienwissenschaften der Humboldt-Universität etablieren können.
An der FU war die späte Einrichtung eines indologischen Lehrstuhls
(1963) von weiteren Neuberufungen und Neugründungen gefolgt, die
es durchaus erlauben, von einer gesunden Entwicklung zu sprechen.
Die universitäre Forschung und Lehre wurde flankiert von Museum
(im Westen) und Akademie (im Osten).
Erst die Wiedervereinigung sollte zu einer ernsten Bedrohung für
unsere Fächer werden. Die notwendige Umstrukturierung der einzelnen
Institutionen zerschlug auch bestehende Netzwerke. Fächer und in
ihnen verankerte Personen waren gezwungen, sich neu zu orientieren
und neue Allianzen entsprechend nicht immer objektiv nachvollziehbaren
wissenschaftspolitischen Interessen einzugehen. Dies ging einher
mit einem allgemeinen Niedergang „philologischer“ Disziplinen,
ausgelöst auch von globalen wissenschaftspolitischen Entwicklungen.
Wahrscheinlich ist es zu früh, die Ursachen dieses Prozesses analysieren
zu wollen, seine Symptome sind allerdings deutlich. Von den
im Rahmen dieses Bandes beschriebenen Institutionen ist kaum noch
eine einschlägig indologisch oder südasienwissenschaftlich tätig. Die
über 200 Jahre in Berlin erworbenen Fähigkeiten, sich der indischen
Kultur auf wissenschaftliche Weise zu nähern, drohen unwiderruflich
verlorenzugehen.
Wir möchten diese Gelegenheit nutzen, allen zu danken, die das
Erscheinen dieses Buches möglich gemacht haben. Unser besonderer
Dank gilt Andrea Schlosser, die mit gewohnter Zuverlässigkeit und
beeindruckender Professionalität die Druckvorlage erstellte. Ebenfalls
möchten wir Wolfgang Morgenroth und Caren Dreyer danken, die sich
auch außerhalb unseres Workshops mit großem Einsatz unseren Fragen stellten.
Für die finanzielle Unterstützung dieses Projekts danken wir dem Fachbereich
Geschichts- und Kulturwissenschaften der Freien Universität Berlin und dem
Institut für Asien- und Afrikawissenschaften der
Humboldt-Universität zu Berlin.
Die Herausgeber
Berlin, Zürich, Lausanne, im Februar 2014 |