Maria Framke / Hannelore Lötzke / Ingo Strauch
 

 

Indologie und Südasienstudien in Berlin: Geschichte und Positionsbestimmung

 

 

 

 

2014, [= Studien zur Geschichte und Gegenwart Asien, Bd. 4], XII + 350 S., ISBN 978-3-86464-054-4, 39,80 EUR

 

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Inhalt 

 

Einführung......................................................... vii


Die Frühzeit der Indologie in Berlin .........................1
Harry Falk

Academic Politics and Questions of Method: Bopp, Schlegel, and the Beginnings of Indology at the University of Berlin.............11
Indra Sengupta

„Turfan“ und die Berliner Indologie ............................35
Caren Dreyer

Südasiatische Sprach- und Musikaufnahmen im Lautarchiv der Humboldt-Universität zu Berlin............65
Jürgen-K. Mahrenholz

Die Rolle der Berliner Indologie und Indienkunde im „Dritten Reich“.................89
Maria Framke

Zur Geschichte der neuindologischen Studien an der Berliner Friedrich-Wilhelms-/Humboldt-Universität (1865–2012).............129
Hannelore Lötzke

Von der Philologie zur Gesellschaftswissenschaft? Berliner Südasienforschung in der Zeit der DDR..........................165
Michael Maschke
Jana Tschurenev

Südasien an der Freien Universität Berlin. Eine Annäherung an die Zeit zwischen Blockade und Wende ..............................203
Axel Klein

Das Museum für Indische Kunst – von seiner Gründung 1963 bis zur Abwicklung 2007.............................235
Marianne Yaldiz

Indologie/Südasienwissenschaften an der Deutschen Akademie der Wissenschaften (AdW) zu Berlin bzw. der Akademie der Wissenschaften der DDR zwischen 1947 und 1991......259
Annemarie Hafner

Südasienwissenschaften am Forschungsschwerpunkt Moderner Orient (1992–1995) und am Zentrum Moderner Orient (1996–2010) .....................285
Heike Liebau

Die Berliner Indologie und Südasienkunde im Strudel der Hochschulpolitik der 1990er und 2000er Jahre. Dokumentation einer wissenschaftspolitischen Fehlleistung.........305
Ingo Strauch

Ausblick ...................................331
Nadja-Christina Schneider


Index................................337

 

Einführung

Das Vorhaben, einen Band über die Geschichte der Berliner Indologie und Südasienstudien zusammenzustellen, reifte über viele Jahre. Doch erst die existentielle Bedrohung unserer Fächer im Herbst 2007 – ausgelöst durch den Beschluss des damaligen Präsidiums der Humboldt-Universität, den Bereich Südasien ganz aus dem Profil des Asien-Afrika-Instituts zu streichen – führte die Herausgeber zusammen und ließ den Ideen endlich auch konkrete Schritte folgen.
Ein wichtiger Zwischenschritt auf diesem Weg war ein Workshop an der Humboldt-Universität, der im Februar 2010 die meisten beteiligten Autoren zusammenführte. Die vorliegenden Arbeiten sind auch Ergebnis der überaus anregenden, durchaus auch kontroversen Diskussionen auf diesem Workshop. Dass es weiterer vier Jahre bedurfte, um dieses Projekt nun zum Abschluss zu bringen, ist vor allem den zahlreichen anderen Verpflichtungen der Herausgeber geschuldet.
Es soll aber nicht verschwiegen werden, dass auch eine Reihe inhaltlicher Diskussionen den Herausgabeprozess begleiteten, die zwar eine zeitliche Verzögerung mit sich brachten, aber dem Buch als Ganzes sicher nutzen konnten.


Der vorliegende Band konnte auch von einigen bereits vorliegenden Arbeiten zu einzelnen Institutionen und Personen der Berliner Indologie und Südasienstudien profitieren. Von besonderem Stellenwert sind hier die Studien Wolfgang Morgenroths zum Seminar für Orientalische Sprachen1 und Ludwig Alsdorfs ausführlicher Aufsatz über „Die Indologie in Berlin von 1812–1945“.
Grundlegender Ausgangspunkt unseres Vorhabens war der besondere Charakter der Berliner Wissenschaftslandschaft, die von einer Vielzahl von Institutionen geprägt war und ist, welche sich auf methodisch und inhaltlich ebenso vielfältige Weise mit der Region Südasien befassen. Ein zusätzliches Berliner Charakteristikum ist die jahrzehntelange Teilung der Stadt und der darauf folgende, z.T. sehr widerspruchsvolle Vereinigungsprozess, welcher der zuvor bereits bestehenden institutionellen Vielfalt eine weitere Dimension hinzufügte.
Es war unser Ziel, herauszufinden, wie sich die Indologie und die anderen südasienbezogenen Wissenschaften in diesen Institutionen etabliert haben und inwieweit sie in der Lage waren, die Vielfalt der Berliner Wissenschaftslandschaft zur Herausbildung eines eigenen Netzwerkes zu nutzen. Diese Frage sollte aus einer streng geschichtlichen Perspektive gestellt und aus dieser Perspektive bis in die heutige Zeit verfolgt werden.
Die unterschiedlichen historischen Epochen und verfügbaren Quellen machten auch diverse methodische Ansätze erforderlich. Darüber hinaus war es unser Anliegen, möglichst Vertreter verschiedener Disziplinen und auch unterschiedlicher wissenschaftlicher und institutioneller Herkunft in diesem Projekt zu vereinen. Zwangsläufig wird das Ergebnis daher sehr heterogen sein, die Perspektiven der Autoren werden sich unterscheiden wie auch die Methoden, die sie in ihren Beiträgen anwenden. Doch statt dies als Nachteil zu sehen, sollten wir diese Vielfalt von vornherein als Vorteil betrachten. Gerade diese Mannigfaltigkeit der Perspektiven kann helfen, eingefahrene Denkmuster zu überwinden und sich selbst aus einer neuen, zunächst ungewohnten Sichtweise zu erleben.
Dass im Titel und auch im Vorwort von „Indologie und Südasienstudien“ die Rede ist, verlangt nach einer Erklärung. Im Sinne einer unlängst von Mitgliedern der Sektion „Indologie und Südasienkunde“ der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft erarbeiteten Definition verstehen wir Indologie hier als „eine auf den indischen Kulturraum bezogene, primär historisch-philologisch arbeitende Erkenntniswissenschaft auf der Grundlage von Quellen“. Andere mit dem geographischen oder auch kulturellen Raum befasste Disziplinen werden hier als „Südasienwissenschaften“ oder „Südasienkunde“ (englisch: South Asian Studies) bezeichnet, z.B. die südasienbezogene Ethnologie oder Geschichtswissenschaft. Doch sollte die nach wie vor nicht ganz klare definitorische Abgrenzung uns nicht darin hindern, nach gemeinsamen Sichtweisen zu suchen und zu klären, inwieweit unser jeweils eigenes Fachverständnis sich unter ein gemeinsames Dach „Indologie/Südasienstudien“ stellen lässt und inwieweit diese Verfahrensweise tragfähig ist.
Mit anderen Worten: Dieses Projekt sollte auch aus der Erfahrung der z.T. schwierigen Verständigung der letzten Jahrzehnte dazu verhelfen, sich unserer Gemeinsamkeiten bewusst zu werden. Wie sahen sich unsere Fächer selbst im Laufe ihrer Geschichte, wie verhielten sie sich zueinander im Rahmen ihrer jeweiligen institutionellen Einbindung?


Bei der Gliederung des Buchs und der Auswahl der Beiträge waren uns zwei Aspekte wichtig: Zum einen sollten möglichst viele geistes- und sozialwissenschaftliche Fächer vertreten sein, die sich in Berlin mit der Region Südasien befassen. Zum anderen sollte dabei nicht die historische Tiefe verlorengehen.
Es schien daher sinnvoll, die Entwicklung der Berliner Indologie und Südasienstudien in ein zugegebenermaßen grobes historisches Raster einzufügen, das grundlegende Entwicklungen vor dem Hintergrund des allgemeinen geschichtlichen Kontextes sichtbar macht. Wir danken an dieser Stelle ausdrücklich Herrn Professor Dr. Wolfgang  Morgenroth, der sich im Vorfeld und während des eingangs erwähnten Workshops an der Ausgestaltung dieses geschichtlichen Überblicks beteiligte. Dieser Überblick erwähnt nicht nur die Schwerpunkte und Institutionen der südasienbezogenen Fächer, sondern auch eine Reihe von Einzelpersönlichkeiten, deren Wirken maßgeblich war für die Entwicklung der jeweiligen Fächer.

 

Kurzbeschreibung der Beiträge

Harry Falk wendet sich in seinem Beitrag den Anfängen der Berliner Indologie zu. Während unter den Brüdern Schlegel, Franz Bopp, Wilhelm von Humboldt und Friedrich Rückert das Interesse noch ganz sprach- und
literaturwissenschaftlich und stark von der deutschen Romantik geprägt ist, beginnt mit Albrecht Weber die „rational-analytische, kulturhistorisch orientierte Indologie“, die von da an charakteristisch für den Berliner Lehrstuhl war. Von entscheidender Bedeutung für diese inhaltliche Neuausrichtung war der Erwerb der Chambers-Handschriftensammlung durch die Königliche Bibliothek zu Berlin, die fortan den Arbeitsschwerpunkt Webers bildete.
Am Beispiel des Preußenkönigs Friedrich Wilhelms IV. zeigt Falk, wie der Geist der Romantik die Beschäftigung mit dem Sanskrit auch in das preußische Königshaus trug, das unter dem Einfluss Wilhelm von Humboldts maßgeblich an der Etablierung indologischer Studien an der Berliner Universität beteiligt war.


Indra Sengupta zeichnet in ihrem Beitrag die Anfänge der indologischen Studien an der Berliner Universität nach und gibt dabei ebenfalls Einblick in die frühe Geschichte der akademischen Indologie in Deutschland. Am Beispiel von Franz Bopp, dem ersten deutschen Lehrstuhlinhaber, dessen Professur zugleich mit komparativer Linguistik ausdrücklich dem Studium und Unterrichten des Sanskrits gewidmet war, veranschaulicht sie nicht nur die politischen und wissenschaftlichen Rahmenbedingungen, die der Institutionalisierung der Indologie auf deutschem Territorium Vorschub leisteten. Wie Sengupta überzeugend argumentiert, stellte Bopps Berufung an die  Berliner Universität außerdem eine bedeutsame Veränderung innerhalb der akademischen Kultur Preußens dar – von Theologie hin zu Philologie und Linguistik.
Detailliert analysiert die Autorin die methodologische Rivalität zwischen August Wilhelm Schlegel, Professor an der Philosophischen Fakultät in Bonn, und Franz Bopp und sieht in ihr einen wichtigen Faktor für die Entwicklung verschiedener indologischer Forschungstraditionen in Preußen und Deutschland.


Caren Dreyer behandelt in ihrem Beitrag einen Wendepunkt der Berliner Indologie. Mit den Königlich-Preussischen Turfan-Expeditionen ist eine weitere inhaltliche aber auch institutionelle Neuausrichtung verbunden. War die  Indologie bis dahin ein universitäres Fach, rückt sie nun auch stärker in den Fokus der Königlich-Preussischen Akademie der Wissenschaften. Die dominierende Forscherpersönlichkeit dieser Zeit ist Heinrich Lüders, der als  Ordinarius der Berliner Indologie und als Vorsitzender der Orientalischen Kommission der Akademie der Wissenschaften die Fachgeschichte über mehr als dreißig Jahre entscheidend prägte. Es wird deutlich, dass gerade die  enge Verbindung der Indologie mit philologischen Nachbardisziplinen wie der Iranistik und der Turkologie eine äußerst fruchtbare und belebende Periode des Fachs charakterisierte. Dreyer fasst aber auch die anderen Berliner
Institutionen ins Auge, in denen indologische und südasienbezogene Forschung betrieben wurde, wie z.B. das Museum für Völkerkunde, das Seminar für Orientalische Sprachen und die Staatsbibliothek, und zeigt, wie deren institutionelle und personelle Vernetzung eine Voraussetzung für das erfolgreiche Wirken indologischer Lehre und Forschung war.


Jürgen-K. Mahrenholz
gibt in seinem Beitrag einen Überblick über eine hochinteressante Sammlung von Tondokumenten südasiatischer Sprachen und Musikstile auf Schellackplattenaufnahmen von Kriegsgefangenen im Ersten Weltkrieg, die im sogenannten Halbmondlager in Wünsdorf bei Berlin entstanden. Er zeichnet die im Jahr 1915 beginnende Geschichte der einzigartigen Sammlung des Lautarchivs an der Friedrich-Wilhelms- bzw. der späteren Humboldt-Universität mit seinem Gründer Wilhelm Doegen (1877–1967) und bekannten Mitgliedern der Phonographischen Kommission, wie Heinrich Lüders und Helmuth von Glasenapp, nach und geht auf  Sammlungsschwerpunkte dieser gleichermaßen für Forschung und Lehre gedachten, seit 2005 vollständig digitalisierten Dokumentation vor dem Hintergrund damaliger kolonialer Interessen Deutschlands ein.
 

Maria Framke wendet sich in ihrer Studie einer der schwierigsten Perioden der Berliner Indologie zu – der Zeit des Nationalsozialismus. Auf der Grundlage aufwendiger Archivrecherchen gelingt es ihr zu zeigen, dass die Berlin Indologie trotz der persönlichen Verstrickung einzelner ihrer Vertreter nur wenig in den Dienst der nationalsozialistischen Ideologie gestellt wurde. Schwieriger ist die Lage während des Zweiten Weltkrieges an der  Auslandswissenschaftlichen Fakultät, deren Nähe zu politischen Institutionen per se eher die Zusammenarbeit mit den Machthabern erleichterte. Am Beispiel der dort beschäftigten Wissenschaftler Ludwig Alsdorf und Devendra  Nath Bannerjea zeigt Framke, auf welche Weise die politischen Verhältnisse in dieser Zeit das persönliche Verhalten und hochschulpolitische Entwicklungen bestimmten.


Hannelore Lötzke beschäftigt sich in ihrem Beitrag mit der Geschichte neuindologischer Studien an der Berliner Friedrich-Wilhelms-/Humboldt-Universität von 1865–2012. Dabei zeichnet sie detailliert die Entwicklung der  wissenschaftlichen Beschäftigung mit neuindischen Sprachen und Literaturen sowie den Aufbau einer philologisch fundierten Ausbildung auf diesen Gebieten nach. Ihr besonderes Interesse gilt einerseits den wechselnden strukturellen Rahmenbedingungen, unter denen sich die Ausdehnung universitärer Studien auf moderne Sprachen und Literaturen Indiens vollzog. Andererseits legt sie einen Fokus auf die Besonderheiten und Erfolge sowie auftretende Probleme der Berliner neuindologischen Studien zu Zeiten der DDR.


Der Beitrag von Michael Maschke und Jana Tschurenev befasst sich mit der Neuausrichtung der Südasienforschung in der DDR. Walter Ruben (1899–1982), der 1950 auf den Lehrstuhl für Indologie an die Humboldt-Universität berufen wurde, leitete den Umbau der philologisch orientierten Sanskritistik zu einer gesellschaftswissenschaftlich ausgerichteten komplexen Länderwissenschaft unter marxistisch-leninistischen Vorzeichen ein. Die Autoren stellen die wissenschaftsprogrammatische und institutionelle Entwicklung dieser ‚Neuen Indienkunde‘ schwerpunktmäßig bis zur Neugründung der Sektion Asienwissenschaften an der HU im Jahr 1968 dar und  untersuchen damit einen Zeitraum, in dem wichtige Weichenstellungen für die Herausbildung des Modells der Regionalwissenschaften erfolgten.


Axel Klein behandelt in seinem Beitrag die Entwicklung der Indologie/Südasienstudien an der Freien Universität (FU) von ihrer Eröffnung im Dezember 1948 bis zur Neuordnung der Berliner Hochschullandschaft nach 1990 anhand der Sichtung von Vorlesungsverzeichnissen und Archivmaterial v.a. zu wichtigen wissenschaftspolitischen Entscheidungs- und Planungsphasen an der FU. Er verfolgt dabei den Weg der bis in die frühen 1980er Jahre kennzeichnenden Schwerpunktsetzung auf Indische Philologie und Kunstgeschichte und skizziert den späteren Aufbau der südasienbezogenen Lehre und Forschung am ethnologischen Institut der FU.
 

Von 1963 bis 2007 verfügten die indienbezogenen Wissenschaften Berlins über eine ganz besondere, in Deutschland einzigartige Institution: das Museum für Indische Kunst. Hervorgegangen aus dem Museum für Völkerkunde, dominierte es für mehr als 40 Jahre die Beschäftigung mit der Kunst und Archäologie des indischen Subkontinents – stets in enger Zusammenarbeit mit dem Fach „Indische Kunstgeschichte“ der Freien Universität Berlin. Die langjährige Direktorin des Museums Marianne Yaldiz beschreibt die Sammlungen und die Geschichte dieses Museums, angefangen von seiner Gründung durch Herbert Härtel, über die epochemachenden Grabungen Hertels in  Sonkh (Mathura) bis hin zur wenig ruhmreichen Abwicklung, in deren Folge das Museum eine Abteilung des nun bestehenden Museums für Asiatische Kunst wurde.


Einen umfassenden Überblick zur Geschichte der Indologie/Südasienwissenschaften an der Akademie der Wissenschaften (der DDR) zwischen 1947 und 1991 liefert der Beitrag von Annemarie Hafner. In diesem beschreibt sie  eingehend die einzelnen Forschungsbereiche an der Akademie, deren Aufgaben und Positionsbestimmung im Vergleich zur traditionellen Indienforschung und stellt die jeweiligen Mitarbeiter und deren wichtigste Publikationen  vor. Auf dieser Grundlage veranschaulicht die Autorin sowohl die wissenschaftstheoretische, als auch die -politische Verortung der Indologie/Südasienwissenschaften an der Akademie der Wissenschaften. Ein weiterer Schwerpunkt des Beitrages liegt in der Darstellung jener (außen-)politischen Faktoren, welche die Entwicklung der südasienbezogenen Fächer an der Akademie maßgeblich beeinflussten.


Die kurze, aber wechselvolle Geschichte des Forschungsschwerpunktes Moderner Orient (1992–1995) sowie seiner Nachfolgeinstitution, des Zentrums Moderner Orient (gegründet 1996), wird detailliert im Beitrag von Heike Liebau vorgestellt. Ein Schwerpunkt ihrer Untersuchung liegt dabei auf der Herausarbeitung der spezifischen Rolle der Südasienstudien in beiden außeruniversitären Forschungseinrichtungen, indem sie wichtige inhaltliche und  personelle Entwicklungen für den Zeitraum von 1992 bis 2010 nachzeichnet. Darüber hinaus beschreibt die Autorin politische und akademische Rahmenbedingungen und Aushandlungsprozesse, die zur Gründung der  Institutionen sowie zu deren sich im Zeitverlauf verändernden Forschungsausrichtungen führten. Dadurch gewährt sie dem Leser interessante Einblicke in die deutsche Wissenschaftspolitik nicht nur der unmittelbaren  Nachwendezeit, sondern der gesamten ersten zwei Jahrzehnte seit der Wiedervereinigung.

 

Ingo Strauch zeichnet die Entwicklung der Indologie/Südasienkunde an FU und HU vor dem Hintergrund der Berliner Hochschulpolitik in den 1990er und 2000er Jahre nach. Anhand öffentlich zugänglicher Dokumente wie der  Berliner Hochschulverträge 1997–2002 und 2002–2009, der Stellungnahme des Wissenschaftsrats im Jahr 2000 und der die Berliner Hochschulpolitik bestimmenden Strukturpläne von 2004 wird das wechselvolle, die Existenz  einer bedeutenden Wissenschaftstradition bedrohende Ringen um die Neuordnung der Hochschullandschaft im Gefolge der Wiedervereinigung aufgezeigt.


Auch wenn der Status der klassischen Indologie im Moment in Berlin und deutschlandweit (äusserst) prekär ist, zeigt doch der Beitrag von Nadja-Christina Schneider, dass in der multidisziplinären südasienwissenschaftlichen  Forschung und Lehre viel Engagement entfaltet wird, was die Fachentwicklung, die transregionale und interdisziplinäre Vernetzung sowie die institutionelle (Neu-)Verankerung betrifft. Obgleich der Aufbau institutioneller Strukturen an einigen Wissenschaftsstandorten in den letzten Jahren als positive Entwicklung gewertet werden kann, weist Schneider doch nachdrücklich auf das immer noch disparate Erscheinungsbild der südasienwissenschaftlichen Fächer hin. Auch thematisiert die Autorin in ihrem Beitrag die Situation der Nachwuchswissenschaftler in Berlin.


Fazit
Die Zusammenschau aller Beiträge ermöglicht es, einen Überblick zu gewinnen über die große Vielfalt indologischer und südasienwissenschaftlicher Forschung und Lehre in Berlin über einen Zeitraum von nahezu 200 Jahren.  Dass hier Lücken bleiben müssen, bedarf kaum weiterer Begründung. Doch eines macht dieser Überblick deutlich: Die Indologie und Südasienstudien waren immer dann besonders stark, wenn es ihnen gelang, sich in  außeruniversitären und auch interdisziplinären Netzwerken zu verankern. Das gilt im Falle Berlins insbesondere für die Zeit des Wirkens von Heinrich Lüders, als mit den Turfan-Expeditionen und den von ihnen gewonnenen  Handschriften und Kunstwerken die geeignete Basis für eine solche Vernetzung geschaffen wurde. Der Verlust dieses Netzwerkes ist nur zum Teil den Folgen des Zweiten Weltkrieges und der darauf folgenden Teilung
der Stadt zuzuschreiben. Sicher nahmen Indologie und Südasienstudien in beiden Teilen der Stadt unterschiedliche Entwicklungen, aber selten nur waren sie je in ihrer Existenz bedroht. Nach anfänglich großen Schwierigkeiten nach dem Ausscheiden Rubens haben sich südasienbezogene Wissenschaften erfolgreich im Rahmen der Asienwissenschaften der Humboldt-Universität etablieren können.
An der FU war die späte Einrichtung eines indologischen Lehrstuhls (1963) von weiteren Neuberufungen und Neugründungen gefolgt, die es durchaus erlauben, von einer gesunden Entwicklung zu sprechen.
Die universitäre Forschung und Lehre wurde flankiert von Museum (im Westen) und Akademie (im Osten).
Erst die Wiedervereinigung sollte zu einer ernsten Bedrohung für unsere Fächer werden. Die notwendige Umstrukturierung der einzelnen Institutionen zerschlug auch bestehende Netzwerke. Fächer und in ihnen verankerte  Personen waren gezwungen, sich neu zu orientieren und neue Allianzen entsprechend nicht immer objektiv nachvollziehbaren wissenschaftspolitischen Interessen einzugehen. Dies ging einher mit einem allgemeinen Niedergang „philologischer“ Disziplinen, ausgelöst auch von globalen wissenschaftspolitischen Entwicklungen.
Wahrscheinlich ist es zu früh, die Ursachen dieses Prozesses analysieren zu wollen, seine Symptome sind allerdings deutlich. Von den im Rahmen dieses Bandes beschriebenen Institutionen ist kaum noch eine einschlägig  indologisch oder südasienwissenschaftlich tätig. Die über 200 Jahre in Berlin erworbenen Fähigkeiten, sich der indischen Kultur auf wissenschaftliche Weise zu nähern, drohen unwiderruflich verlorenzugehen.
Wir möchten diese Gelegenheit nutzen, allen zu danken, die das Erscheinen dieses Buches möglich gemacht haben. Unser besonderer Dank gilt Andrea Schlosser, die mit gewohnter Zuverlässigkeit und beeindruckender Professionalität die Druckvorlage erstellte. Ebenfalls möchten wir Wolfgang Morgenroth und Caren Dreyer danken, die sich auch außerhalb unseres Workshops mit großem Einsatz unseren Fragen stellten. Für die finanzielle Unterstützung dieses Projekts danken wir dem Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der Freien Universität Berlin und dem Institut für Asien- und Afrikawissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin.
 

Die Herausgeber
Berlin, Zürich, Lausanne, im Februar 2014