Möller, Carola / Bleibaum, Brigitte / Steitz, Lilo / Peters, Ulla / Wagnerovà, Alena

“Wirtschaften für das ‘gemeine Eigene’. 
Handbuch zum gemeinwesenorientiertenWirtschaften”


hg. von der Stiftung Fraueninitiative, Köln, [= Auf der Suche nach der verlorenen Zukunft, Bd. 7], trafo verlag 1997, 206 S., ISBN 3-930412-77-2, EUR 13,80 
 

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Zum Inhalt:

Wir stehen an der Schwelle des dritten Jahrtausends. Die Lebensgefühle vieler Menschen schwanken zwischen den Polen “Wir nähern uns einer Katastrophe” und “Wir müssen etwas Neues gestalten”. Unzweifelhaft ist, daß sich seit etwa zwei Jahrzehnten die Lebensverhältnisse in den hochindustrialisierten Ländern deutlich verändern.

Eine der generellen politischen Fragen heute lautet: Läßt sich die Erwerbslosigkeit – auch mit Blick auf die Maastricht II-Kriterien – durch modifizierende und subventionierende Maßnahmen im Rahmen des neoliberalen Wirtschaftens beheben oder müssen wir den bisher proklamierten Zusammenhang zwischen Erwerbsarbeit und Existenzsicherung aufgeben? Das grundsätzlich neue, neoliberale Verhältnis bedeutet für immer mehr Erwerbsarbeitende prekäre Selbständigkeit, Scheinselbständigkeit, Teilzeitarbeit, freie Mitarbeit, Leiharbeit und ähnliche meist nicht existenzsichernd entlohnte Arbeitsformen, wie sie in den hochindustrialisierten Ländern USA und Großbritannien in den letzten Jahren schon üblich sind. Für viele Millionen von Arbeitswilligen ist sogar ein solcher Teil-Zugang zum Arbeitsmarkt versperrt.

Wenn Erwerbsarbeit nur noch einen Teil der materiellen Existenz für einen Teil der Gesellschaftsmitglieder abdeckt, wie wird der übrige Teil gesichert?
Immer mehr Menschen, insbesondere Feministinnen, denken über andere Arbeits- und Wirtschaftsweisen nach, und eine beachtliche Zahl innovationsfreudiger Menschen beginnt, sie in die Praxis umzusetzen. Alternativ zu wirtschaften heißt allerdings nicht, zur Agrarwirtschaft zurückzukehren. Vielmehr werden mit Hilfe des uns heute zur Verfügung stehenden technischen, informatorischen, ökologischen und kulturellen Wissens und Könnens Formen von gemeinschaftlich selbstorganisiertem, alternativen Wirtschaften zu entwickeln, zu erproben und mit Leben zu erfüllen sein. So kann sich das “gemeine Eigene” im Sinne des alten Wortsinnes von “gemein” als “gemeinsam”, “allgemein” herausbilden. Dies sind Formen des Wirtschaftens, die nicht auf den heutigen Markt hin ausgerichtet sind. Ein solches Wirtschaften wird in diesem Buch gemeinwesenorientiertes Wirtschaften  genannt.

Es werden  theoretische und praktische Ansätze in der Bundesrepublik zu einem anderen Wirtschaften vorgestellt. Der erste Teil des Buches bringt aktuelle Überlegungen zum Thema  “gemeinwesenorientiertes Wirtschaften”: die Kriterien dieses Wirtschaftens, wichtige feministische Denkansätze hierzu, der Begriff “Eigenarbeit”, der Stellenwert von Eigenarbeit für ein nicht-patriarchales Wirtschaften und die Formulierung von Forschungsfragen (C. Möller), eine kurze Begriffsgeschichte zu “Gemeinwesen” und dem alten Wort “gemein”, kritische Überlegungen zu wichtigen Aspekten dieses anderen Wirtschaftens (U. Peters),  Reflexionen zu den langjährigen Diskussionen in Ostdeutschland zum Komplex “Bedarf” und “Bedürfnisse” (B. Bleibaum / L. Steitz) und eine literarische Betrachtung zum Wirtschaftsverständnis einer Großmutter (A. Wagnerová). Der theoretische Teil wird abgerundet durch eine erste Bibliographie zum Thema.

Der zweite Teil des Buches ist der Adressenteil, in dem erstmalig  über hundert gemeinwesenorientiert wirtschaftende Projekte in Form einer Kurzbeschreibung und mit ihrer Anschrift aufgelistet werden. Die Adressen resultieren aus einer umfangreichen schriftlichen Befragung unter den alternativen Projekten, von denen vermutet wurde, daß sie gemeinwesenorientiert arbeiten. Diese Liste ist noch keinesfalls vollständig. Sie soll diejenigen ProjektträgerInnen, die sich noch nicht gemeldet haben oder jetzt beginnen, ermuntern, sich für eine Neuauflage zu melden, denn mit einem vernünftigen Zeitabstand soll die Adressensammlung auf neuen Stand gebracht und durch gleichartige Projekte in den europäischen Ländern erweitert werden. Zum Informationsteil gehören ebenfalls die Aufbereitung und Bewertung der Umfrageergebnisse.

Wir stehen erst am Anfang theoretisch fundierter Analysen. Wenn es gelänge, mit dem Buch die notwendige Beschäftigung und weitere Auseinandersetzungen mit den sich entwickelnden Formen gemeinwesenorientiert wirtschaftender Einheiten anzuregen und zu stärken, so wäre ein wichtiges Ziel erfüllt.