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Luisa Accati

Das Monster und die Schöne. Vater- und Mutterbilder in der katholischen Erziehung der Gefühle

trafo verlag 2006, 360 S., ISBN 3-89626-550-4,  39,80 EUR

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Zum Inhalt

Die Studie Das Monster und die Schöne stellt einen Beitrag zu den Versuchen dar, psychoanalytische Modelle für das Verständnis historischer und sozialer Prozesse fruchtbar zu machen. Accati geht es um eine Darstellung und Erklärung der sozialen Folgen der Idealisierung der Madonna / Mutter, die sich im Katholizismus seit Beginn des 15. Jahrhunderts beobachten lässt. Dazu verwendet sie Erkenntnisse aus der psychoanalytischen Forschung über den Oedipus-Komplex, und zwar nicht in Hinsicht aus dessen Implikationen für die individuelle Biographie, sondern  in Hinsicht auf die gesellschaftliche Bedeutung. Es geht um eine subtile Auseinandersetzung mit dem Marienkult, der seinen Höhepunkt mit der Verkündigung des Dogmas von der Unbefleckten Empfängnis im Jahre 1854 findet, und seinen sozialen Folgen und Voraussetzungen.

 

 

Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkung 9

 

Erster Teil: Beobachtungen zur Trauungsszene 19

1 Die Schöne und das Ritual 23

2 Die Schöne und das Märchen 45

 

Zweiter Teil: Perspektivische Darstellungen der Schönen 69

3 Die Schöne und die Einbildung 71

4 Die Schöne und das Bild 100

 

Dritter Teil: Die Söhne und der doppelte Ausschluss des Monsters 135

5 Der Ausschluss des Ehemanns der Mutter 137

6 Der Ausschluss des eigenen Vaters 153

 

Vierter Teil : Die Söhne und die doppelte Anbetung der Schönen 187

7 Die Mutter in Anbetung des Sohnes 191

8 Die Mutter als Traum des Sohnes 221

 

Fünfter Teil: Persona Tragica: Die Verschmelzung von Mutter und Sohn 233

9 Keuschheit, Gewalt, Herrschaft 235

10 Die Töchter und der Vater 248

 

Sechster Teil: Die Ambivalenz der Politik und der Wissenschaft 273

11 Ein ambivalentes Szenario: Der Fall Italien 284

12 Abschließende Betrachtungen 310

 

Bildanhang 335

Über die Autorin 353

 

Vorbemerkung

 

Dieses Buch untersucht den Einfluss bestimmter Symbole auf die Wirklichkeit. Gegenstand meiner Forschungsarbeit war die Wandlung des Mutterbildes und infolgedessen die Transformation der Vorstellungen von Empfängnis. Am Ende dieser Wandlung steht nicht mehr die Beziehung zwischen Vater und Mutter als Repräsentanten zweier sozialer Gruppen im Mittelpunkt, sondern vielmehr die private Beziehung zwischen Sohn und Mutter ohne Rücksicht auf irgend geartete soziale Bindungen der beiden.

 

Ich bin zunächst von einigen Fragestellungen ausgegangen. Wie kommt es, dass eine mächtige Institution wie die katholische Kirche, deren Entscheidungsträger seit jeher ausschließlich Männer sind, von den ersten Jahrhunderten ihres Bestehens an die weibliche Figur der Madonna als Symbol ihrer selbst wählt? Ist anzunehmen, dass die biologisch-kulturelle Beziehung zwischen Mutter und Sohn auf diese Wahl einen Einfluss ausübt, und wenn ja, seit wann? Welchen Einfluss übt umgekehrt die Marienverehrung auf die Mutter-Sohn-Beziehung im konkreten sozialen Leben aus? Besteht eine Verbindung zwischen der sozio-politischen Abhängigkeit der Frauen von den Männern und ihrem Ausgeschlossensein aus der Definition dieser weiblichen Symbolfigur? Wozu und wem dient der Umstand, dass es Männer sind, die eine weibliche Symbolfigur definieren?

 

Eine all diese Fragen vereinende Hypothese hat meine Forschungsarbeit geleitet: Die Abhängigkeit der Frauen von den Männern stellt eine ihnen übertragene soziale Funktion dar. Die Bedeutung der Abhängigkeit erschöpft sich nicht im Versuch, sie auszuschließen, sondern ist tief in den Grundfesten der Gesellschaft verankert, in jenem versteckten, nicht sichtbaren Teil also, der dennoch für die Stabilität des gesamten Gebäudes bürgt. Der Sadismus gegenüber den Frauen  ist nur eine aus der gesellschaftlichen Organisation resultierende Emotion, und nicht ein Organisationsprinzip des Realen. Die Abhängigkeit der Frauen hingegen ist sehr wohl als Ordnungsprinzip zu betrachten, als beruhigende Möglichkeit, stets auf sie zählen zu können. Diese Möglichkeit fließt ausgehend von der Sprache und den sozialen Gewohnheiten ins Normengeflecht ein. Den Sadismus zu verurteilen und das Ende der Abhängigkeit auszurufen, ohne den Versuch zu wagen, die Ordnungsprinzipien zu verändern, auf die das gesellschaftliche Gebäude sich stützt, ist so, als würde man einige Risse im Gemäuer übertünchen und es verabsäumen, die Grundfesten zu erneuern.1

Gedanken, die nur von Frauen gedacht werden konnten – diesen wurde in der Wissenschaft kein Platz zugestanden. Es tat sich daher ein offensichtlicher Widerspruch auf: Einerseits wurde die Wissenschaft den Frauen zugänglich gemacht, andererseits war nicht vorgesehen, dass die Art und Weise, wie diese das Irrationale begrenzen und die Rationalität konstruieren, aufgrund ihrer völlig anders gearteten Beziehung zur empirischen Wirklichkeit nicht mit der der Männer identisch sein konnte. Die Zumutung, sich dem männlichen Modell anpassen zu müssen, deutet indessen auf eine den gesamten wissenschaftlichen Bezugsrahmen betreffende Leidensgeschichte hin: die unausgesetzte Suche nach Formen der Andersheit bei gleichzeitiger Unsicherheit dieser Andersheit gegenüber, die hauptsächlich von den Frauen repräsentiert wird. Die Rolle der Frauen außer Acht zu lassen, stellt einen derart offensichtlichen Mangel an Genauigkeit dar, dass dieser nicht so sehr einem erklärten und bewussten Willen, diese nicht in Betracht zu ziehen, zugeschrieben werden darf, sondern vielmehr einer Unfähigkeit und einer begrifflichen Verwirrung, die tiefer gehende Ursachen haben.

Andererseits gilt es festzuhalten, dass der Vorwurf gegenüber den Männern, die Bedeutung der Frauen in ihren Arbeiten nicht entsprechend gewürdigt zu haben, zwar berechtigt ist, jedoch ihre Fähigkeiten schlicht überschätzt. Die Wissenschaft war aus dem Kampf gegen Allmachtsbestrebungen hervorgegangen. Kein Mensch durfte sich daher anmaßen, männlich und weiblich zugleich zu sein und konnte daher auch nicht die weiblichen Rollen und Bedeutungszuschreibungen in den verschiedensten Kontexten untersuchen, ohne sich mit einem von Frauen adäquat formulierten symbolischen Bezugsrahmen auseinander zu setzen. Spiegelbildlich offenbart sich somit die Unsicherheit der Frauen, sich selbst zu definieren und die Definition der sie betreffenden Symbole für sich zu beanspruchen. Das Unbehagen, das die nicht aufgelöste Frage nach der Bedeutung der gegenseitigen Abhängigkeit auslöste, verhinderte so nicht nur die mögliche Weiterentwicklung der Wissenschaft, sondern auch Prozesse der Selbstwerdung seitens der Männer und der Frauen, ob sie nun wissenschaftlich tätig sind oder nicht.

Dennoch lag es nicht in der Verantwortung der Wissenschaft, den Frauen die Möglichkeit der Selbstbestimmung entzogen zu haben. Die Schuld dafür trägt die Religion.2  Die Idee, dass ein Mann besser als eine Frau darüber Bescheid weiß, was Mutterschaft bedeutet, ist eine der tragenden Vorstellungen der christlich-katholischen Theologie. Die Verantwortung der Wissenschaft besteht höchstens darin, sich als Gegenspielerin der Religion bestimmt und deshalb in ihrem Inneren in Form von Abwehrmechanismen oft parareligiöse und irrationale Allmachtsphantasien reproduziert zu haben, ohne eine wirkliche moralische Autonomie der Einzelnen zu garantieren.

Unsere westliche Kultur der Eroberung scheint im 20. Jahrhundert einen qualitativen Sprung vollzogen zu haben. Sie produziert eine stetig steigende und immer unkontrollierbarere Anzahl von Opfern außerhalb ihrer Grenzen und entwickelt gleichzeitig eine in höchstem Maße selbstzerstörerische und aus den Fugen geratene Gewalt in ihrem Inneren.3 Als ob die Herrschaft, nachdem sie die Fähigkeit der Eroberten, Formen der Zugehörigkeit zu entwickeln, zerstört hat, nun alle Versuche der Eroberer selbst, die menschlichen Beziehungen zu gestalten, hintertreiben würde. Hätte man den historisch immer wieder auftretenden Missbrauch des Christentums genau untersucht, so wäre man der zugrunde liegenden Funktionsstörung vielleicht auf die Spur gekommen: dem wiederholten Zwang zur Zerstörung, der nach und nach in Selbstzerstörung umschlug. Aus dem Opfer einen Gott zu machen, einen gekreuzigten Menschen (einen gekreuzigten Sohn) in ein anzubetendes Wesen zu verwandeln, reichte allerdings nicht aus, um dem exponentiellen Anwachsen der Opferzahl nicht nur außerhalb, sondern auch innerhalb der westlichen Kultur Einhalt zu gebieten. Antisemitismus und Misogynie stellen Phänomene dar, die in regelmäßigen Abständen auftreten, auf immer gleiche Weise, mögen die Umstände und spezifischen Ursachen auch variieren. Die Geschichtswissenschaft hat den Antisemitismus eingehender studiert als die Misogynie: Jede einzelne antisemitische Episode hat ihre Ursachen, ihren Fortgang, ihre Opfer und ihre Schuldigen, ihre Zurückführbarkeit auf einen bestimmten Kontext. Dennoch haben die Genauigkeit der Studien und die Komplexität der sozioökonomischen Erklärungen keine adäquaten Instrumente geliefert, um das Wiederauftauchen des Phänomens in akuter oder endemischer Form zu verhindern. Will man den Antisemitismus begreifen, muss man meiner Ansicht nach bei der Misogynie beginnen. Das christliche Imaginäre legt tatsächlich nahe, dass die Mutter par excellence den Leidensweg des Opfer-Sohnes par excellence teilt. Im Unterschied zu ihm jedoch, der als Jude dargestellt wird, hat sie keine bestimmte Identität, weder eine persönliche, noch eine soziale, noch eine religiöse: Sie ist eins mit dem Leib des Sohnes.

Ich bin von folgender Annahme ausgegangen: Die Tatsache, dass den Gedanken der Frauen hinsichtlich der Empfängnis, der Schwangerschaft und der Mutterschaft jegliche normative Bedeutung verweigert wurde, stellt eine Art von ursprünglicher Auslöschung dar. Dieser Akt der Auslöschung bildet nicht nur die Grundlage der sozialen Probleme der Frauen oder ihrer Probleme hinsichtlich der Wissenschaft, sondern bedroht auch – und dies ist der Kern meiner Hypothese – das Gleichgewicht zwischen intellektuellen und moralischen Fähigkeiten beider Geschlechter, insofern er über die Verwischung des Unterschieds zwischen Mutter und Sohn den Unterschied zwischen Subjekt und Objekt, zwischen Subjektivität und Andersheit zum Verschwinden bringt. Die Misogynie stellte so gesehen den ersten notwendigen Schritt in Richtung des Antisemitismus dar. Misogynie und Antisemitismus bilden das in allen anderen Formen des Rassismus notwendig vorausgesetzte Begriffspaar (die Misogynie auf implizite und der Antisemitismus auf  explizite Weise).

 

Wenn man über die Mutter-Sohn-Beziehung arbeiten will, scheint es unvermeidlich, neben den Instrumenten der Geschichtswissenschaften auch auf die Instrumente der Anthropologie und der Psychoanalyse zurückzugreifen.

Mich interessierten vor allem die Unterschiede hinsichtlich der theoretischen Erfahrungen bezüglich desselben Begriffs, nicht so sehr die gefestigte Praxis, aus anderen Disziplinen stammende Begriffe jenseits der spezifischen empirischen Erfahrungen zu verwenden. Hinsichtlich der Anthropologie interessierte mich vor allem die Arbeit der Feldforschung, hinsichtlich der Geschichte das Prinzip des kontextualisierten Zugangs zu den Quellen der Vergangenheit und hinsichtlich der Psychoanalyse die Art des analytischen Arbeitens. Nur die empirische Erfahrung verschiedener Arten und Weisen, dieselben Gedanken zu denken, kann uns die Mittel anheim stellen, die uns zu verstehen helfen, wie die dominierenden Symbole im Fall der Frauen und der Juden die Realität verdrängt haben. Die Manipulation des Denkens ist nicht auf Erklärungen angewiesen, weshalb die Form des Beweises sich ihr gegenüber ohnmächtig ausnimmt. Es wird keine Erklärung dafür angeboten, warum Maria immer Jungfrau bleibt, es wird nur auf alle erdenklichen Weisen endlos wiederholt, sodass es oft schwierig ist, die beiden Vorstellungen (Maria/Jungfrau) auseinander zu halten. Will man dieser eingefahrenen Denkweise wirklich beikommen, so gilt es, Verbindungen von Vorstellungen zu schaffen, die imstande sind, die historisch sich ablagernden Automatismen zu unterbrechen und dem Denken kritische Autonomie zurückzuerstatten. Das Denken bedient sich des Körpers, um zu denken; vor dem logischen Denken hat sich in diesem Fall noch die Verbindung von Körper und Geist verkehrt: Das Gefühl verleitet dazu, sich gegenüber dem Offensichtlichen zu verweigern. Das Problem besteht also darin, eine Interpretation zu finden, die dem Gefühl eine bestimmte Bedeutung zurückgibt und es denkbar bzw. annehmbar macht. Dieses Buch stellt daher eine Aufarbeitung dar, einen möglichen Interpretationsvorschlag für einige die Mutterschaft betreffende religiöse Symbole; es maßt sich nicht an, etwas zu beweisen. Wie jedes Instrument findet es seine Rechtfertigung in der Verwendbarkeit für andere Interpretationen. In meinen Diskussionen mit Daniele Levi habe ich die Erfahrung gemacht, dass ein Projekt dann durchführbar ist, wenn man es verteidigen muss, nicht, wenn es unangreifbar ist.       

 

In Udine habe ich eine Feldforschung durchgeführt, indem ich einerseits die biographischen Informationen einer Gruppe von Frauen gesammelt habe (die entweder Lehrerinnen oder Hausfrauen sind und der Mittelschicht angehören), andererseits aber auch Daten allgemeinerer Natur. Auf Basis der Methode der teilnehmenden Beobachtung der Verhaltensweisen habe ich in den Jahren von 1978 bis 1988 jeweils von November bis Juni alle zwei Wochen zwei Tage in Udine verbracht. Jenseits der Tatsache, ob sich die Frauen dem katholischen Glauben zugehörig fühlten, mussten sich die Verhaltensweisen dieser Frauen und indirekt auch die der Männer an einem katholischen Frauenbild abarbeiten (ob zustimmend oder ablehnend, bewusst oder unbewusst), das im täglichen Leben und in der Kultur vorherrscht: am Modell der Jungfrau-Mutter, bei dem sich alles um die Mutterrolle in ihrem Verständnis als Verantwortlichsein für Schutz und Sorge um die Kinder dreht. Ein Modell, das ohne die Eigenschaften der Ehefrau auskommt, weil es ausschließlich von unverheirateten Männern definiert wird, aber auch aufgrund der Bedeutung der Emigration der Männer in diesem geographischen Raum.

 

Von 1975 bis 1990 habe ich am Archiv der Inquisition und an den matrimonialia des Erzbischöflichen Archivs von Udine von den 60er Jahren des 16. bis Ende des 18. Jahrhunderts gearbeitet, mit besonderem Augenmerk auf den Zeitraum zwischen 1560 und 1660. Darüber hinaus habe ich viele Studierende bei ihrer Arbeit an denselben Archiven betreut.4 Entgegen meinen Erwartungen ging aus den Dokumenten keine klare Mutterfigur hervor. Die zensurierten und kontrollierten Verhaltensweisen betrafen die sexuellen Beziehungen der Frauen zu den Männern. Die bereits geborenen oder erwarteten Kinder waren in keiner Weise Gegenstand der Aufmerksamkeit, noch wurde auf die Rolle der Mutter bzw. ihre erzieherischen Aufgaben eingegangen.

Parallel dazu wurde auf theologischer und ritueller Ebene vom Ende des 15. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts nie die Mutterschaft Marias erörtert, sondern ihre Empfängnis und die ihrer Mutter Anna. Die historischen Quellen weisen kirchliche Autoritäten aus, die kaum daran interessiert sind, eine Mutterfigur zu konstruieren, sondern vielmehr daran, die Bedingungen abzustecken und einzugrenzen, unter denen die weibliche Sexualität legitime Kinder hervorbringt, und denen vor allem daran gelegen ist, die Jungfräulichkeit als totale Enthaltsamkeit in den Beziehungen zu den Männern anzupreisen, egal, ob es sich um die Väter, die Ehemänner oder die Söhne handelt.

Der Vergleich zwischen der Mutter-Sohn-Beziehung innerhalb der anthropologischen Erfahrung und der Mutter-Sohn-Beziehung innerhalb der historischen Erfahrung erhellt den Nutzen der analytischen Erfahrung als Instrument zur Unterscheidung zweier Denkweisen und als Bewusstsein um die Gefahr von Projektionen, die das erforschte Material beeinträchtigen können. Die analytische Erfahrung hat mich von der Unmöglichkeit überzeugt, die psychoanalytischen Begriffe unmittelbar auf das historische oder das anthropologische Material anzuwenden, so wie es eben beim Studium der religiösen Verehrung oft geschehen ist. Im Unterschied zu den narrativen Dokumenten der Frauen aus Udine beweisen die Symbole der religiösen Verehrung, dass die analytischen Begriffe ein präzises historisch-anthropologisches Produkt darstellen, und nicht ein Inventar a-historischer Kategorien. Der Freudsche Ödipus ist weder ein universelles Instrument noch eine universelle Diagnose, sondern dient dazu, die Dynamik einer Dreierbeziehung zu verstehen: Vater, Mutter und Kind. Die Zusammensetzung verändert sich je nach den Interpreten, dem Zusammenhang, dem historischen Zeitpunkt oder dem Gesichtspunkt (des Vaters, der Mutter oder des Kindes), den man einnimmt. Es handelt sich gewiss nicht um ein fixes Szenario, das ein für alle Mal festgelegt und in all seinen Details ausgestaltet wäre und das man deshalb immer und überall auf identische Weise vorfinden könnte. 

 

Das Buch beginnt mit der Beschreibung einer Trauungszeremonie, die ich als eine Art Theaterszenario betrachtet habe. Diese dramaturgische Idee, die sich als wesentlich für die Gestaltung der verschiedenen narrativen Ebenen herausgestellt hat, schulde ich Simona Levi, und ich bin ihr dafür zu Dank verpflichtet. Die Untersuchung des Szenarios vollzieht sich auf drei Ebenen; auf der Ebene der Gegenwart: die Bedeutungen des Rituals in den Gesten und Worten der Brautleute, des Priesters und der Hochzeitsgäste; auf der Ebene der Vergangenheit: die Botschaften des 18. Jahrhunderts, die die sakralen Gegenstände, die Bilder und die Fresken enthalten; schließlich auf der Ebene des Vergleichs: Dem Vergleich des anthropologischen Kontexts des Rituals und des historischen Kontexts der Choreographie sind die politischen Zwecke der katholischen Erziehung der Affekte zu entnehmen. Im Mittelpunkt des rituellen Trauungsszenarios der post-tridentinischen katholischen Ehe steht – wie wir sehen werden – eine in verschiedene Symbole fragmentierte Frauenfigur: die Braut in der anthropologischen Realität der Zeremonie, die Madonna in der historischen Realität des sakralen Szenarios, der Teil des Bräutigams, der seinen Ursprung in der Mutter hat und der dafür verantwortlich ist, dass die politische Strategie, die Vorstellungen von Mutter und Braut verschmelzen zu lassen, aufgeht.

Diese Aufteilung auf drei Ebenen durchzieht das gesamte Buch. Dennoch ist im ersten und im fünften Teil die anthropologische Ebene das tragende Element, während im zweiten, dritten und vierten Teil die historische Herangehensweise überwiegt. In der Tat wägen diese Teile die Bedeutung der Zeit bei der Transformation der Symbole ab. Wenn auch die Madonna seit jeher das dominante Symbol darstellt, so musste diese Figur doch im Verlauf der Jahrhunderte zahlreiche Wandlungen in sich aufnehmen, die sich nunmehr in ihrem Inneren abgelagert haben und für die Dialektik zwischen Kontinuität und Wechsel von Bedeutung sind.

 

Die Forschungsarbeit, deren Ergebnisse in diesem Buch versammelt sind, hat viel Zeit in Anspruch genommen, während derer Freundinnen und Freunde mir durch Rat und Kritik auf großzügige Art und Weise beiseite gestanden sind: Ihnen allen sei hiermit gedankt. Dennoch muss ich einige von ihnen besonders erwähnen.

Viele Dinge habe ich in Triest gelernt: aus den Diskussionen mit Studentinnen und Studenten der geisteswissenschaftlichen Fakultät, aus den Treffen der Gruppe „Androna Economo“ und in der Via Donota und aus den Versammlungen der Psychologenvereinigung von Friaul Julisch-Venetien, mit der mich Teresa Martin Burrone und Renate Cogoy in Kontakt gebracht haben. Die Gesellschaft der italienischen Historikerinnen, vor allem deren venezianische Sektion, ist mir eine ständige Anlaufstelle gewesen.

Jacques Revel hat mir die Gelegenheit gegeben, einen Teil der vorliegenden Arbeit im Rahmen einiger Seminare an der École des Hautes Études in Paris vorzustellen und zu diskutieren, so wie er stets meine Forschungsarbeit mit kritischem Interesse verfolgt hat. Leonore Davidoff, Delfina Dolza und Hazel Mills haben mich dabei unterstützt, mich hinsichtlich meiner Ansichten zu den Unterschieden zwischen Katholiken und Protestanten mit der Arbeit angelsächsischer Forscherinnen auseinander zu setzen. Isabel Morant hat die für mich sehr wichtigen Beziehungen zu Spanien hergestellt und mir dadurch vermittelt, welch bedeutende Position dieses Land mittlerweile in der internationalen Forschungslandschaft einnimmt.

Giorgio Sacerdoti hat es mir ermöglicht, an Seminaren und Tagungen am Psychoanalytischen Zentrum der Region Veneto teilzunehmen und mich auf diese Weise in Debatten rund um Thematiken eingebunden, die sich in der Folge als höchst bedeutsam für mich herausgestellt haben.

Maria Nadotti, Pier Aldo Rovatti, und Alberto Semi haben das Manuskript gelesen und mir hinsichtlich der Endredaktion, aber auch inhaltlich wertvolle Ratschläge erteilt.

Silvia Amati Sas, Marina Foscanelli, Maria Teresa Hirschkoff Grendi, Giovanni Levi und Giacomo Todeschini kennen dieses Buch sehr gut. Sie haben nämlich den vielen Transformationen der Themen und Problemstellungen, die darin verarbeitet sind, von Beginn an beigewohnt. Ihr unerschütterliches Vertrauen mir gegenüber hat mich in der Absicht, diese Arbeit abzuschließen, bestärkt.

Luisa Accati